Wachrütteln zur Europawahl am 9. Juni 

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Wachrütteln zur Europawahl am 9. Juni

Wo sind die Kandidatinnen und Kandidaten?

CSU-Delegierte des Wahlkreises Coburg-Kronach-Geroldsgrün mit Blick auf ihr Handy…

..und mit Blick auf den Fotografen

Am Sonntag, 9. Juni, ist Europawahl. Schon etwas vom anstehenden Wahlkampf gehört, gesehen oder gelesen? Zumindest nicht viel. Die SPD Oberfranken hat den Coburger Oberarzt und Stadtrat Martin Lücke nominiert, doch als Wahlkämpfer ist der 61-Jährige bisher kaum in Erscheinung getreten. Das mag – zum Teil – auch an seiner beruflichen Tätigkeit bei Regiomed liegen …

Und die CSU? Monika Hohlmeier, seit 2009 Mitglied des Europäischen Parlaments, profitiert wohl auch diesmal von ihrem hohen Bekanntheitsgrad (Tochter von Franz Josef Strauß), der erneut Grundlage für einen Wiedereinzug in Straßburg und Brüssel sein könnte. Krankheit zwingt sie nun zu einer Pause auf dem politischen Parkett.

Ein Hilferuf in Sachen zur Europawahl kam jetzt von der Europe Direct (ED) Oberfranken/Südthüringen. „Sie ist Teil“, so erfahren wir aus dem Internet, „des EUROPE DIRECT-Netzwerks in Deutschland, das einem europaweiten Verband von 438 Zentren angehört. Diese machen Europa für die Menschen vor Ort greifbar und ermuntern sie, sich in die Debatte über die Zukunft der Europäischen Union (EU) einzubringen. Verwaltet wird das Netzwerk von der Europäischen Kommission, Träger ist die Volkshochschule Coburg Stadt und Land“.

Namens der ED wandte sich nun Iris Kroon-Lottes an die heimischen Medien. Sie verwies darauf, dass die Bürgerinnen und Bürger in 27 Mitgliedsstaaten der EU zum zehnten Mal aufgerufen sind, 720 Abgeordnete für die kommenden fünf Jahre zu wählen. O-Ton Kroon-Lottes: „Was im Europaparlament beschlossen wird, ist nicht so weit weg, wie es immer scheint. Die Ergebnisse betreffen deutsche Städte, Gemeinden und Landkreise sei es bei der Reform des Asylsystems oder bei der Umsetzung des europäischen Grünen Deals. Europapolitik ist auch Kommunalpolitik und hilft dabei, unsere Demokratie zu stärken und zu erhalten. Die Arbeit an der Demokratie ist nie abgeschlossen. Demokratie geht von jeder und von jedem von uns aus.“

So oder so ähnlich hätte auch eine Bewerberin oder ein Bewerber zur Europawahl eine E-Mail formulieren können. Iris Kroon-Lottes Schreiben an die Redaktionen endet mit dem Wortlaut: „Deshalb bitte ich um Unterstützung und appelliere auch ein bisschen an Ihre/Eure Vernunft: Bitte berichtet über die Europawahlen und macht darauf aufmerksam, wie wichtig es ist, dass wir uns für Demokratie, Freiheit und Frieden einsetzen.“

Mit weitaus mehr Worten war dafür einige Tage zuvor beim Bezirksparteitag der CSU Oberfranken in Hochstadt (Landkreis Lichtenfels) geworben worden. Dort scharten sich um den Hauptredner Manfred Weber, Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europaparlament, rund 130 Delegierte und die oberfränkischen Kandidatinnen und Kandidaten, angeführt von Monika Hohlmeier, die Platz 4 auf der Liste zur Europawahl in einigen Wochen belegt. Annemarie Bauer (Platz 15) aus Bamberg, Markus Oesterlein (P 35) aus Kronach, Matthias Straub (P 45) aus Bayreuth/Land und Markus Krebs (P 63) aus Bayreuth/Stadt lassen dank ihres jugendlichen Alters zumindest den einst böswilligen Spruch verstummen: „Hast du einen Opa, schick‘ ihn nach Europa.“

Zweifellos wusste Manfred Weber in seiner fast 70-minütigren Rede seine Zuhörerinnen und Zuhörer zu beeindrucken. Der 51-Jährige Niederbayer, seit 2004 im Europäischen Parlament und nach 2019 erneut Spitzenkandidat der CSU am 9. Juni, beleuchtete eine Vielzahl von Themenfeldern.

Angefangen von der Landwirtschaft (200 Millionen Euro für Oberfrankens Bauern, neue Bagatellregelung für Betriebe unter 10 Hektar) über deutliche Kritik an Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bis zum Krieg in der Ukraine. Weber möchte „unseren Wohlstand halten“ und sieht in Indien und Mexiko neue Märkte. Amerika (wieder) mit Trump als Präsident – Europa müsse sich mehr um sich selbst kümmern.

Als Manfred Weber zum Schluss kommt und seine Parteifreunde auffordert, sich für eine rege Wahlbeteiligung einzusetzen, erheben sich die Delegierten von ihren Plätzen und spenden minutenlang Applaus. Auch jene, die sich zuvor fast ausschließlich nur mit ihrem Handy beschäftigt haben. Welche Respektlosigkeit!

Die nächsten Redner hatten es schwer, Gehör zu finden. Generalsekretär Martin Huber wusste sich nicht anders zu helfen, als besonders laut seine verbalen Vorwürfe ins Mikrofon zu schreien. Wahrscheinlich wollte er mit seiner Botschaft auch jene erreichen, die mit Manfred Weber die Halle verlassen hatten und nunmehr, zumindest zeitweise, im Freien verweilten.

Manfred Weber, Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europaparlament, trägt sich ins „Goldene Buch“ der Gemeinde Hochstadt ein. Ganz links MdEP Monika Hohlmeier, rechts CSU-Bezirksvorsitzender MdB Dr. Hans-Peter Friedrich. Fotos A. Corn

Langsam kehrten die meisten „Ausflügler“ wieder auf ihre Plätze zurück. Sie hörten sich Bezirksvorsitzenden MdB Dr. Hans-Peter Friedrich an und die Europaabgeordnete Monika Hohlmeier sowie Staatssekretär Martin Schöffel (Staatsministerium der Finanzen und für Heimat), einziges CSU-Kabinettsmitglied aus Oberfranken (Stimmkreis Wunsiedel-Kulmbach).

Reich ausgestattet mit Prospektmaterial der CSU und mit solchem der Tourismusregion Obermain. Jura aus dem Landratsamt Lichtenfels verließen die Delegierten den Ort des Geschehens. Im Gegensatz zu einigen seiner Amtskollegen war der Lichtenfelser Landrat Christian Meißner (CSU) nicht ins nahe Hochstadt gekommen.

Bleibt die Frage offen, warum die CSU ihren Spitzenkandidaten Manfred Weber nur den Delegierten Oberfrankens und nicht einer breiten Öffentlichkeit präsentierte? Und wann kommen die anderen Parteien aus der Deckung?

Siehe auch „Veranstaltungen zur Europawahl in Coburg“
und Monika Hohlmeier: Autoimmunreaktion zwingt zur Ruhe