Alles neu macht der Mai – oder der Juni!
Absolut nicht positiv zu werten ist der steigende Bekanntheitsgrad Südthüringens mit seinen Landkreisen Hildburghausen und Sonneberg auf Bundesebene – und darüber hinaus! Nicht die Schönheiten und Vorzüge des Thüringer Waldes sind es, die in den verschiedenen Medien oftmals an vorderste Stelle rücken, sondern die Ergebnisse der Kommunalwahlen am 26. Mai mit den Erfolgen der AfD (Sonneberg) und eines Neonazis (Hildburghausen). So ist im deutschen Blätterwald zwischen Freiburg im Breisgau und Berlin, Frankfurt/Main und Chemnitz zu lesen: „Thüringen ist ein Sanierungsfall“ (Badische Zeitung).
Was dabei jedoch oftmals im Hintergrund bleibt, ist die andere Seite der Medaille. Bei der Landratswahl in Hildburghausen erreichte Sven Gregor, der für die Freien Wähler angetreten ist, im ersten Wahlgang 42,2 Prozent (14.375 Stimmen). Das genügte zwar noch nicht für den Sieg, für den die absolute Mehrheit erforderlich gewesen wäre, aber es gilt vielfach als ein ermutigendes Zeichen für den zweiten Wahlgang am Sonntag, 9. Juni.
Entschieden ist dagegen, dass die Freien Wähler (FW) im Kreistag des Landkreises Hildburghausen erstmals mit zehn (zuvor 8) von 40 Mandaten die stärkste Fraktion stellen. Ihnen ist es mit ihrem bodenständigen Spitzenkandidaten Sven Gregor – zuletzt zwölf Jahre Bürgermeister der aufstrebenden Stadt Eisfeld – gelungen, über mehrere Monate hinweg in der Bevölkerung eine Wechselstimmung zu erzeugen, die schließlich in die Erfolgsspur führte.
Dabei wurde die CDU nach 30 Jahren auf Platz II verwiesen und verlor gegenüber ihrem Ergebnis im Jahr 2019 zwei Sitze im Kreistag, also statt elf nur neun. An diese Zahl hat sie sich schon gewöhnt. Durch das frühzeitige Ausscheiden der Eheleute Holger (ehemaliger Bürgermeister der Stadt Hildburghausen) und Kristin Obst (frühere Landtagsabgeordnete) aus der Fraktion war die Union bereits geschrumpft.
Doch das ist nicht alles! Da der langjährige CDU-Landrat Thomas Müller (seit 1994) mit 65 Jahren nicht mehr für das höchste Amt des Landkreises kandidieren konnte, schickte die Partei den fünf Jahre jüngeren Dirk Lindner ins Rennen.
Bei allem Einsatz in den letzten Monaten auf der kommunalpolitischen Bühne erreichte Lindner, der seit vier Jahren auch Erster Beigeordneter des Landkreises Hildburghausen ist, am Wahltag nur 24,7 Prozent ( 2.359 Stimmen). Das waren 63 weniger als für Tommy Frenck (BZH) abgegeben wurden, der nun in einer Stichwahl gegen Sven Gregor antritt.
Auch auf einer weiteren, manche mögen sagen „unteren Ebene“, waren die Freien Wähler im Landkreis Hildburghausen erfolgreich. Nachdem Sven Gregor frühzeitig auf eine nochmalige Nominierung als Bürgermeisterkandidat des Werrastädtchens Eisfeld verzichtet hatte, kam in den Reihen der FW Christoph Bauer (43) ins Spiel. Und der setzte sich jetzt schon im ersten Wahlgang mit rund 55 Prozent gegen drei Mitbewerber durch. Hinter ihm schart sich im Eisfelder Stadtrat eine achtköpfige FW-Fraktion unter insgesamt 20 Frauen und Männer.
Was ist das Erfolgsgeheimnis der Freien Wähler im Landkreis Hildburghausen? Sie selbst verweisen in erster Linie auf ihre konsequente Sachpolitik. Während die anderen Parteien in den letzten Jahren oftmals mehr mit sich selbst (vor allem CDU und SPD) als mit den Problemen der Städte und Gemeinden beschäftigt waren, bewiesen Gregor & Co. in vielen Bereichen Bürgernähe. Sie schlüpften in die Rolle der Problemlöser, Möglichmacher und nach Kompromissen suchende und engagierte Politiker vor Ort.
Im Wahlkampf ist Sven Gregor 3.500 km mit seinem Auto durch das Kreisgebiet gefahren. Außerdem hat er 200 km zu Fuß zurückgelegt. Bei seiner Wanderung hat ihn der Eisfelder Gastwirt Georgios Pontikes rund 60 bis 70 Kilometer begleitet, etwas weniger der Straufhainer Bürgermeister Tino Kempf. Begegnungen mit Menschen war das Ziel. Das läuft dann unter der Überschrift „Politiker zum Anfassen“. Sven Gregors trockener Humor kommt oftmals hinzu. Eine kleine Kostprobe: Knackwürste von zwölf verschiedenen Metzgern habe er während seiner Wandertouren verzehrt, berichtet Wahlkämpfer Gregor. Welche ihm am besten geschmeckt habe? Diplomat Gregor will sich darüber erst nach dem 9. Juni äußern.
Um Wahlempfehlungen aus anderen politischen Lagern hat sich Sven Gregor nicht bemüht. Die Wählerinnen und Wähler sollen sich nach ihrer eigenen Überzeugung entscheiden, begründet der 47-Jährige seine Zurückhaltung in dieser Frage.
Seine guten Verbindungen bis hinauf in Ministerien und Landesregierung, sein weit gespanntes Netzwerk, weiß Gregor in bestimmten Fragen wohlüberlegt zu nutzen. Zwei Tage vor dem ersten Wahlgang kam auf seine Einladung Hubert Aiwanger nach Schleusingen. Ob der Bundesvorsitzende der Freien Wähler und bayerische Staatsminister im benachbarten Oberfranken so willkommen gewesen wäre, wie zum jetzigen Zeitpunkt in Südthüringen, muss unbeantwortet bleiben.
Zunächst einmal stand für den Gast ein Firmenbesuch an, dann ein Bad in der Menge von rund 200 Menschen. Pünktlich war Aiwanger erschienen, begrüßte viele erwartungsfrohe Menschen per Handschlag und ging nach seiner Rede von Tisch zu Tisch, um mit den Wählerinnen und Wählern ins persönliche Gespräch zu kommen. „Die Leute haben ihn verstanden“, schmunzelte Gregor mit einem Augenzwinkern in Anspielung auf den niederbayerischen Dialekt des Bundes- und Landespolitikers.
Nun also will Sven Gregor am 9. Juni mehr als 50 Prozent der abgegebenen Stimmen zur Landratswahl erreichen. Streitig macht ihm dies noch einmal Tommy Frenck (37), das Gesicht der Fraktion „Bündnis Zukunft Hildburghausen“ (BZH). Frenck war schon 2018 gegen Thomas Müller angetreten. Damals schaffte er einen Stimmenanteil von etwa 16 Prozent, diesmal waren es 24,9 Prozent (8.422 Stimmen). Jeder 4. der Wahlberechtigten hat ihm seine Stimme gegeben. Als Einzelbewerberin war Kristin Obst ins Rennen gegangen. Sie erreichte eine Quote von 8,1 Prozent ( 2.731 Stimmen) und belegte damit den letzten Platz.
Positiv gewertet wird das Wahlergebnis im Landkreis Hildburghausen im Bereich „Wahlbeteiligung“. Diese betrug 67,4 Prozent. In den Nachbarkreisen wurden niedrigere Zahlen ermittelt: Sonneberg (60,4 Prozent), Schmalkalden-Meiningen (63,4), Ilmkreis (65,5) und Wartburgkreis (61,7).
Richten wir noch einen Blick in den Landkreis Sonneberg. Dort trat das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSH) an und erzielte aus dem Stand drei Mandate. Die AfD ist jetzt mit 14 Sitzen (!) im Kreistag vertreten (plus 4) und damit stärkste Fraktion. Sie untermauert damit die Position von Robert Sesselmann (51), der im vorigen Jahr zum ersten von der AfD getragenen Landrat in der Bundesrepublik gewählt worden war. Insgesamt bilden acht Fraktionen den Sonneberger Kreistag. CDU, SPD und Linke spielen nur noch eine untergeordnete Rolle. Die Freien Wähler errangen erstmals zwei Sitze.
Gebürtiger Coburger scheitert in Weimar
Nichts zu holen gab es bei den Kommunalwahlen Ende Mai auch für einen früheren Bundespolitiker aus Coburg: Dr. Carl-Christian Dressel (SPD). Der 53-Jährige bemühte sich im Weimarer Land (Kreis) um des Amt des Landrates. Mit einem Stimmenanteil von 8,9 Prozent schied der Ministerialbeamte aus Erfurt im ersten Wahlgang aus. Der CDU-Amtsinhaberin Christiane Schmidt-Rose fehlten 0,2 Prozent zur absoluten Mehrheit. In der Stichwahl fordert sie Dirk Geyer von den Bürgerinitiativen heraus, der im ersten Wahlgang 30,1 Prozent auf sich vereinen konnte.