Landratswahl im Zeichen von Entsetzen und Verbitterung

horst-mitzel-tagebuch-bild

Landratswahl im Zeichen von Entsetzen und Verbitterung

Die Zulassung des Rechtsextremisten Tommy Frenck als Kandidat des BZH* zur Landratswahl am Sonntag, 26. Mai, durch den Wahlausschuss des Landkreises Hildburghausen hat vielerorts großes Entsetzen ausgelöst. Mit 3:2 Stimmen hatte das Gremium für sein Werben um Wählerstimmen „freie Fahrt“ signalisiert.

Diese höchst umstrittene Entscheidung, die über die Kreisgrenzen hinweg für leidenschaftliche Diskussion und oftmals auch für Verbitterung sorgt, hat manches andere, was sonst Wahlkämpfe befeuert, in den Hintergrund treten lassen.

Wo und wann hat es das zum Beispiel zuletzt gegeben, dass die SPD einen Landratskandidaten der CDU offiziell unterstützt? Für die Union bewirbt sich im Landkreis Hildburghausen Dirk Lindner, in der laufenden Legislaturperiode nicht nur CDU-Mitglied geworden, sondern auch dank der Partei Erster Beigeordneter, also stellvertretender Landrat. Jetzt greift der 60-Jährige nach dem höchsten Amt, möchte den aus Altersgründen scheidenden Landrat Thomas Müller (CDU) beerben.

Schon in der zweiten Jahreshälfte 2023 kam die SPD auf die Union zu, um mit ihr gemeinsam den Blick nach vorn zu richten. Das erste Ergebnis des in immer größer werdenden Kreisen geführten Dialogs legen die Sozialdemokraten jetzt vor: Sie empfehlen ihrem Anhang, Dirk Lindner bei der Wahlentscheidung am Sonntag nach Pfingsten ihre Stimme zu geben. Die immer mehr an Mitgliedern im Landkreis Hildburghausen schrumpfende Partei hatte und hat nämlich keinen geeigneten Bewerber aufbieten können. Und die Mißerfolge bei früheren Wahlen waren ohnehin kein aufmunterndes Zeichen für eine intensive Suchaktion in der SPD.

Vor allem die Freien Wähler werden sicherlich diese neue rot-schwarze Kooperation aufmerksam registrieren. Mit Sven Gregor, Bürgermeister der Stadt Eisfeld, haben die Freien Wähler einen Kandidaten ins Rennen geschickt, der nicht erst in jüngster Zeit als „Macher“ auftritt, sondern sich diesen Ruf in mehr als zwei Jahrzehnten als Dorf- und Stadtoberhaupt (Bockstadt und Eisfeld) sowie als Kreisrat hart erarbeitet hat.

Dritte im Bunde der Kandidaten ist Kristin Obst, ehemals als Abgeordnete unter dem Namen Floßmann Mitglied des Thüringer Landtages. Längst hat sie der CDU den Rücken gekehrt, in den Augen ihrer Kritiker einen Scherbenhaufen hinterlassen. Nun ist sie parteilos, aber ihren Ehrgeiz hat sie nicht verloren. Von ihren Plakaten lächelt sie. Und sonst? Abwarten.

Und nun kommt Tommy Frenck ins Spiel. Schon vor sechs Jahren hat sich der Gastwirt aus Kloster Veßra um das Amt des Landrates beworben. Sein Stimmenanteil lag schließlich bei 16 Prozent. Für viele Beobachter ein Alarmzeichen. Doch jetzt ist er wieder dabei. In seinen politischen Anschauungen hat er sich nicht geändert.

Sehr wahrscheinlich ist, dass seinetwegen auf zunächst in Erwägung gezogene Podiumsdiskussionen mit den Landratskandidaten im Landkreis Hildburghausen verzichtet wurde. Beispielsweise bei der Industrie- und Handelskammer Südthüringen. Was deren Regionalausschüsse zunächst planten, wurde schließlich von der Vollversammlung abgelehnt.

Und dann rückte der Wahlausschuss des Landkreises Hildburghausen ins Zentrum des Geschehens. An seinem Votum ist nicht zu rütteln. Des Team setzte sich aus dem Kreiswahlleiter Mario Geitt und vier Ehrenamtlichen zusammen, die von den Kreistagsfraktionen der CDU, der Linken und der Freien Wähler entsandt worden waren.

Die Zulassung von Sven Gregor, Dirk Lindner und Kristin Obst erfolgte reibungslos. Bei Tommy Frenck gab es zwei Gegenstimmen. Die gaben Gerd Braun (Freie Wähler) aus Eisfeld und Bernd Ahnicke (Die Linke) aus Hildburghausen ab.

Den Dreierpack legten Mario Geitt, Antje Rottmann (Schönbrunn) und Erik Knoth (Schleusingen) vor, also der Kreiswahlleiter und die beiden Unionsleute.

Nun war bekannt dass dem Wahlausschuss ein siebenseitiges Dossier zu Tommy Frenck zugegangen war. Ließ dies nicht aufhorchen? Dazu Mario Geitt auf Anfrage: „Das ‚Dossier‘, wie Sie es nennen, war/ist ein siebenseitiges Exzerpt aus Verfassungsschutzberichten der vergangenen Jahre. Die Seiten waren keineswegs vollständig beschrieben und darüber hinaus auch mit Bildern (Screenshots von Seiten aus dem Internet) durchsetzt. Ich habe es als ausreichend angesehen, die Informationen / das ‚Dossier‘ in der Sitzung des Wəhləusschusses den übrigen Beisitzern auszuhändigen.“

Weiter berichtet Geitt, dass in dem ‚Dossier‘ Tätigkeiten des betroffenen Bewerbers aufgezählt sind, „die allesamt und ganz offensichtlich nicht verboten waren/sind“. Geitt: „Da auch die Tätigkeit des/eines Wahlausschusses rechtmäßig zu erfolgen hat, haben die Informationen aus dem ‚Dossier‘ der Mehrheit des Wahlausschusses nicht ausgereicht, um darauf eine so weitreichende, nämlich grundrechtsentziehende Entscheidung zu treffen.“

Daraufhin stellten wir dem Kreiswahlleiter folgende Frage: „Ihre Entscheidung als Beamter wiegt besonders schwer. Ist Ihnen dies bewusst?“ Antwort: „Die Verpflichtung zum rechtmäßigen Handeln in Verbindung mit der Wahrung der Neutralität, als wesentliches Merkmal freier, demokratischer Wahlen, gilt selbstverständlich und insbesondere auch für den Wahlleiter. Insofern dürfen Sie davon ausgehen, dass ich meine Tätigkeit am geltenden Recht und nicht etwa an etwaigen Emotionen ausrichte.“

Und was sagt der Vorsitzende des CDU-Kreisverbandes Hildburghausen, Christopher Other, zu der Entscheidung des Wahlausschusses, die insbesondere von zwei Unionspolitikern getragen wird?

Christopher Other hält die Entscheidung für „vertretbar“ und fügt hinzu: „Der Wahlausschuss hat aus meiner Sicht über Formalia zu entscheiden. Wenn Herr Frenck denn rechtskräftig verurteilt wäre, sähe die Sachlage anders aus. Es gibt meines Erachtens aber keine klare Rechtslage und ob sich ein ehrenamtlich besetzter Wahlausschuss so weit aus dem Fenster lehnen sollte, wenn man weiß, dass das Ganze vor Gericht landet und Herrn Frenck eine weitere Bühne bietet, möchte ich nicht weiter beurteilen.“

Sagen wir es deshalb so:  Die Wählerinnen und Wähler haben es in der Hand, die Landrätin oder den Landrat zu wählen, die/der auf dem Boden der Verfassung steht und für die/den Demokratie ein hohes Gut ist.

*Bündnis Zukunft Hildburghausen