REGIOMED – unheilbar krank?

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REGIOMED – unheilbar krank?

20 Millionen Euro und mehr – so wird das aktuelle Defizit für 2023 von REGIOMED beziffert. Seit Wochen beherrscht der ländergreifende Klinikverbund die Schlagzeilen in den heimischen Medien.

Was vor 15 Jahren mit viel Vorschusslorbeeren von den damaligen Landräten Christine Zitzmann (Sonneberg), Thomas Müller (Hildburghausen), Karl Zeitler (Coburg) und Reinhard Leutner (Lichtenfels) sowie dem Coburger Oberbürgermeister Norbert Kastner gegründet wurde, wird jetzt als „Scherbenhaufen“, „Debakel“ und Ähnliches bezeichnet.

Seit Jahren wird dem Aufsichtsrat, der schon lange diesen Namen nicht mehr verdient, vorgeworfen, seiner wichtigsten Aufgabe vor allem deshalb nicht nachgekommen zu sein, weil dem Gremium zwar Politiker, nicht aber kompetente Fachleute angehören. Und die wenigen, die Bilanzen lesen können, seien wohl oftmals bei entsprechenden Entscheidungen überstimmt worden.

Jetzt steht REGIOMED vor einer Neuausrichtung. Der Coburger Stadtrat sowie die Kreistage Coburg, Lichtenfels, Hildburghausen und Sonneberg haben sozusagen im „Galopp“, also innerhalb weniger Wochen, der Rückführung und eigenständigen Finanzierung der Krankenhäuser und ihrer angeschlossenen Versorgung an die einzelnen Gesellschafter (kreisfreie Stadt Coburg und die genannten Landkreise) zugestimmt. Dies jeweils mit unterschiedlichen Mehrheiten. Je größer die jeweiligen Schulden sind, desto geräuschloser wurden in den einzelnen Gremien die Beschlüsse gefasst.

Stadtrat und Kreistag Coburg erfuhren bezogen auf die Häuser in Coburg und Neustadt von einem Defizit in Höhe von 16 Millionen Euro. Was aber drang davon an die Öffentlichkeit? Wer übte Kritik und forderte zur schonungslosen Offenlegung der Probleme auf ? Coburgs OB Dominik Sauerteig (SPD) und Landrat Sebastian Straubel (CSU) sind im Schweigen vereint.

Aus Sonneberg (Verlust bei 1,2 Millionen Euro) war zumindest zu hören, dass Landrat Robert Sesselmann sich postwendend an die Landesregierung in Erfurt gewandt und um finanzielle Hilfe gebeten hat. Sein Vorstoß blieb allerdings ohne Erfolg.

Besonders turbulent ging es im Kreistag Hildburghausen zu. Dort legten – allen voran – die Freien Wähler den Finger in die Wunde, die für einen aktuellen Verlust in Höhe von 800.000 Euro symbolisch offen liegt. Sie prangerten die unzureichenden Informationen über das Desaster durch Landrat Thomas Müller an. Um ein Haar wäre es ihnen gelungen, die Beratungen zu stoppen. Müller ist neben Kreisrat Klaus Brodführer (Schleusingen) der einzige Kommunalpolitiker, der das Problem von und bei REGIOMED seit der ersten Stunde an mit zu verantworten hat.

In der emotionsgeladenen Sitzung des Kreistages gelang es dem Landrat gerade noch, für seine Beschlussvorlage „Neuausrichtung“ Zustimmung zu finden. Das Stimmenergebnis 14 Ja- bei 7-Nein-Stimmen und 14 Enthaltungen machte deutlich,dass selbst Müllers Parteifreunde seinem Handeln nicht mehr folgen. So versagten ihm CDU-Kreisvorsitzender Christopher Other (Heldburg) und Reinhard Jakob (Masserberg) ihre Stimme.

Zuvor hatte REGIOMED-Geschäftsführer Michael Musick für die neuen Pläne geworben (siehe unten „Kommunen übernehmen Krankenhäuser und Medizinische Versorgungszentren, MVZ“). Teilnehmer der Sitzung wissen zu berichten, dass es nicht an dem Hinweis fehlte, keiner könne derzeit sagen, „wie sich die Rahmenbedingungen in den kommenden Monaten verändern“.

Und was ist aus dem Landkreis Lichtenfels zu hören, der sich mit einem Verlust seines Krankenhauses in Höhe von vier Millionen Euro herumschlagen muss? Dessen Landrat Christian Meißner, derzeit Vorsitzender der Gesellschafterversammlung, zeigt sich mit den Beschlüssen seiner Partner zufrieden. „Ich freue mich und bin für die positiven Beschlüsse der jeweiligen kommunalen Gremien sehr dankbar, dass nach den intensiven Diskussionen der letzten Wochen eine einvernehmliche Zustimmung erfolgt ist und wir uns jetzt mit ganzer Kraft auf die Zukunft der Kliniken und MVZ konzentrieren können. Damit ist die hochwertige medizinische Versorgung in unseren Regionen sichergestellt.“ Mag sein, dass wieder einmal alles zur Zufriedenheit Meißners zustande gekommen ist, wie auch seinerzeit bei der Einrichtung der Zentralküche in Lichtenfels. In ihr sehen viele Beobachter einen „Sargnagel“ für den Klinikverbund.

Derweil reibt sich der „kleine Mann auf der Straße“ die Augen. Er fragt sich, warum zum Beispiel das Klinikum Coburg zwei Monate braucht, um einem Patienten ärztliche Leistungen endlich in Rechnung zu stellen? Und obendrein dann auch noch zufrieden ist, wenn der Zahlungspflichtige die Forderung in weiteren vier Wochen erfüllt. Bei solcher Großzügigkeit muss doch offensichtlich Geld in der Kasse sein …

Oder ist REGIOMED ein Fass ohne Boden? Diese Frage schwebt im Raum. Wie auch die, wie die einzelnen Landkreise das „Zubuttern“ in Zukunft stemmen wollen. Das gilt auch für die Stadt Coburg. Die nächsten Haushaltsberatungen werden Aufschluss darüber geben. Vor allem aber sollte eines nicht außer Acht gelassen werden: Die Verantwortlichen haben bei Patienten und Mitarbeitern viel von ihrer Glaubwürdigkeit verloren.

Kommunen übernehmen Krankenhäuser und MVZ

Grünes Licht für Neuausrichtung des REGIOMED Verbundes

Alle zuständigen kommunalen Gremien haben der Rückführung und eigenständigen Finanzierung der Krankenhäuser und angeschlossenen Einrichtungen der ambulanten Versorgung an die einzelnen Gesellschafter zugestimmt; diese Grundsatzbeschlüsse treten zum Jahreswechsel 2023/24 in Kraft.

Die Gremien folgen mit ihren Entscheidungen der Empfehlung der Gesellschafterversammlung der REGIOMED-KLINIKEN GmbH. Damit übernehmen die Landkreise Hildburghausen, Lichtenfels und Sonneberg sowie der Krankenhausverband Coburg als Träger die wirtschaftliche Verantwortung für die jeweiligen Krankenhäuser und MVZ. Diese Beschlüsse sichern die Struktur bis einschließlich 2025 ab, so dass sowohl die regionale medizinische Versorgung für die Zukunft bestmöglich gewährleistet als auch die Arbeitsplätze Bestand haben, heißt es in einer Pressmitteilung des Klinikverbundes REGIOMED.

Ab 2026 sollen die neuen Regelungen der Krankenhausreform greifen.

Die Rückführung der Kliniken und der angeschlossenen Einrichtungen der ambulanten Versorgung (MVZ) an die Gebietskörperschaften soll zu schlankeren Entscheidungsstrukturen führen, so dass die jeweiligen Träger schneller auf örtliche Notwendigkeiten reagieren können. Gleichzeitig mit der kommunalen Eigenverantwortung wurde einvernehmlich beschlossen, am überregionalen Verbundcharakter von REGIOMED festzuhalten.

Mit einer gemeinsamen Medizinstrategie will man bei der stationären Gesundheitsversorgung weiterhin Synergieeffekte erzielen und den herausfordernden Strukturwandel im Kliniksektor zusammen meistern. Die praktische Umsetzung erfolgt über Dienstleistungsverträge, die die einzelnen Krankenhaus-Gesellschaften mit der REGIOMED-KLINIKEN GmbH und ihren Töchtern fortführen werden. Damit ist der Bestand des Verbundes ebenfalls gesichert; die Eigenkapitalausstattung der REGIOMED Service GmbH und der Medical School wurde bis 2028 und 2029 zugesagt.