Krach und Mißgunst lähmen Weitramsdorfer Gemeindepolitik

horst-mitzel-tagebuch-bild

Krach und Mißgunst lähmen Weitramsdorfer Gemeindepolitik

Sind es unsägliche Querelen im Gemeinderat, die einen Ersten Bürgermeister in Weitramsdorf zum Verzweifeln bringen? Wollen in der Verwaltung einige Kräfte nicht akzeptieren, dass der vom Volk gewählte Bürgermeister auch Chef des Rathauses ist? Oder hat die Bürgerschaft in den letzten Jahren stets einen Mann mit schwachem Nervenkostüm an die Spitze der Gemeinde berufen? Unbewußt?

Es mag von jedem etwas dran sein. Fakt ist, Weitramsdorfs Ansehen leidet unter dem Zank auf kommunalpolitischer Bühne. Die einst stolze Industrie-, heute mehr beliebte Wohnsitzgemeinde ist Spott und Hohn in der Region ausgesetzt.

Am Sonntag, 18. Februar 2024, soll ein neues Gemeindeoberhaupt gewählt werden. Dann zum dritten Mal innerhalb von nur vier Jahren. Im Frühjahr 2020 trat nach nur einer Amtsperiode ( 6 Jahre) Wolfgang Bauersachs nicht mehr an; monatelang zuvor war er im Krankenstand. Ihm folgte Andreas Carl. Zunächst schien es, als sei Weitramsdorf aus seiner jahrelangen Lethargie erwacht. Impulse, im und aus dem Rathaus, belebten das Gemeindegeschehen.

Doch hinter den Kulissen begann es bald wieder zu brodeln. In Gemeinderatssitzungen wurde mehr als einmal deutlich, dass hier kein Team am Werk war, das den Wählerauftrag „Suchet der Gemeinde Bestes“ gemeinsam erfüllen wollte. Schon nach zwei Jahren warf Andreas Carl verbittert das Handtuch.

Als Nächster rückte Christian Brettschneider (42) an die Spitze der Kommune. Viele seiner Wählerinnen und Wähler glaubten, einem tatenfrohen Bürgermeister ihr Vertrauen geschenkt zu haben, der das Ruder fest in beide Hände nahm. Doch es dauerte nicht lange, bis kritische Stimmen laut wurden. Brettschneider blieb Terminen fern, zu denen er erwartet worden war. Die Rolle „mittendrin“, also das Eintauchen in die Belange und Anliegen seiner Wählerschaft, wurde oftmals vermisst. Auch seine Krankmeldungen, seine Urlaubswünsche, waren nicht selten. Längst fragen sich viele Weitramsdorfer, ob Brettschneider seinen Aufgabenbereich unterschätzt hat?

Nun wird es für die Parteien und Wählergruppen wohl schwer, schon wieder neue Kandidaten für das Amt des Ersten Bürgermeisters aus dem Hut zu zaubern. Es muss ja eine Bewerberin oder ein Bewerber sein, die/der sich zutraut, Verwaltung und Gemeinderat hinter sich zu scharen, um effektive Arbeit leisten zu können.

Die Forderung, wie sie jetzt jüngst im Gemeinderat vorgetragen wurde, die freiwerdende Stelle des hauptamtlichen Bürgermeisters in eine ehrenamtliche umzugliedern, ist der Sache bestimmt nicht dienlich. Weitramsdorf zählt rund 5.1oo Einwohner. Es gibt kleinere Gemeinden in ganz Bayern, die ebenfalls hauptamtlich geführt werden (müssen).

Wenn aber aus Weitramsdorf kein Interessent „Hier“ rufen sollte, kommt dann eine Bereitschaftserklärung aus der regionalen Umgebung? Insider wollen Ansätze dafür erkannt haben. So gibt es im Rathaus ein Trio, aus dessen Mitte eine Bewerbung nicht ausgeschlossen wird. Einer von ihnen, Geschäftsleiter Heiko Geuß, hat bereits die Aufgaben des Wahlleiters für die Entscheidung im Frühjahr 2024 übernommen. Er scheidet deshalb als Bewerber für das höchste Amt in der Gemeinde aus. Unter den drei Führungskräften ist er der einzige, der im Gemeindebereich Weitramsdorfs (Altenhof) wohnt. Die beiden anderen sind außerhalb, also zwischen den Haßbergen und dem Neustadter Kessel, zu Hause.

Hauptamtliche Bürgermeister können von außerhalb kommen. Das war zum Beispiel in Dörfles-Esbach der Fall. Für den früheren Bürgermeister Udo Döhler war der Amtssitz nicht auch der Wohnsitz.

Aber wollen die Weitramsdorfer überhaupt ein Dorfoberhaupt, das nicht aus ihren Reihen kommt? Einen Bürgermeister, dem zum Beispiel das heimische Vereinsleben fremd ist? Der sich bisher mit dem Gemeindeleben nicht identifiziert hat, für den das Rathaus eben seine tägliche Arbeitsstelle und nicht mehr ist?

Profunde Kenner der Weitramsdorfer Gemeindeverwaltung meinen, ihr fehle eine strenge Hand. Wie zu Coronazeiten hat sie Sprechstunden. Wer unangemeldet erscheint, muss damit rechnen, unerledigter Dinge wieder das Haus zu verlassen. In der Tat ist an der Eingangstür des Rathauses die Aufforderung angebracht, sich vor einem Besuch telefonisch anzumelden. Und aktuell wird darauf hingewiesen, dass das Rathaus am Montag, 6. November und am Dienstag, 7. November, jeweils vormittags geschlossen ist. Nennt sich das Weitramsdorfer Bürgernähe?

Was den Gemeinderat betrifft, so hat sich dieser in den zurückliegenden Monaten mit einem ehemaligen Bürgermeister vor dem Verwaltungsgericht getroffen. Es ging um eine zwischen dem „Ersten“ und seinen Stellvertretern getroffene Ersatzregelung für nicht genutzte Urlaubstage. Auf der einen Seite gab es schriftliche unterzeichnete Gesprächsnotizen, auf der anderen Seite Erinnerungslücken. Gegenseitiges Vertrauen über die Zusammenarbeit „Schreibtisch an Schreibtisch“ sieht gewiss anders aus.

Die Steitereien in Weitramsdorf erinnern an Geschehnisse in Neustadt vor rund 30 Jahren. Damals trat Oberbürgermeisterin Dr. Irene Schneider-Böttcher nach etwa zwei Drittel ihrer Amtszeit zurück, um eine neue lukrative Aufgabe in Dresden zu übernehmen. Die SPD bat Frank Rebhan, seinen Hut in den Ring zu werfen. Der war dazu unter einer Bedingung bereit: Die oftmals unsachlichen Auseinandersetzungen im Stadtrat müssen sofort ein Ende nehmen. Die SPD ging mit gutem Beispiel voran. Frank Rebhan wurde Oberbürgermeister und ist es noch immer. Gelegentlich gibt es noch Krach, aber der hält sich in Grenzen.

Eine solche oder ähnliche Persönlichkeit braucht Weitramsdorf. Einen Brückenbauer mit Kompetenz, Zugleich eine Verwaltung, die das Prädikat „bürgerfreundlich“ verdient und einen Gemeinderat, dessen Mitglieder persönliche Interessen hintanstellen und einen Neuanfang ehrlichen Herzens wollen.

PS.: Nach Redaktionsschluss für diese Ausgabe (Montag, 30. Oktober, 9.00 Uhr) erreichten wir Christian Reuß am Telefon. Auf die Frage, ob er, Reuß, für das Amt des Ersten Bürgermeisters kandidieren möchte, lautete die Antwort: „Alles ist noch unklar. Derzeit möchte ich dazu nichts sagen.“ Reuß wollte auch nicht bestätigen, dass er aus Kreisen Weitramsdorfs auf eine mögliche Kandidatur angesprochen worden sei. Christian Reuß ist Gemeindekämmerer in Weitramsdorf und wohnt in Unterwasungen (Stadtbereich Neustadt).