SPD geht voran – CSU folgt
Stefan Sauerteig will es jetzt wissen
Das Schaulaufen hat begonnen. Die SPD Coburg-Stadt und -Land schickt den 34-jährigen Stefan Sauerteig ins Rennen um ein Mandat bei der Wahl zum Bayerischen Landtag im nächsten Jahr. Der gebürtige Coburger soll Michael Busch folgen, der dem Parlament an der Isar seit Herbst 2018 angehört und sich mit Ablauf der Legislaturperiode aus der Politik zurückziehen will.
Was bei der SPD schon entschieden ist, soll bei der CSU am Sonntag, 23. Oktober, unter Dach und Fach gebracht werden. Es gilt als beschlossene Sache, dass sie erneut Martin Mittag auf den Schild heben wird, der den Wechsel vom Rathaus in Seßlach ins Maximilianeum in München erstmals vor vier Jahren geschafft hat.
50 Delegierte hätten es bei der Stimmkreiskonferenz der Sozialdemokraten an einem Samstagvormittag Mitte September sein sollen, aber nur 37 machten sich auf den Weg nach Scheuerfeld, um dort Landtags- und Bezirkstagskandidaten zu nominieren. Wo sind die anderen 13 geblieben?
Dabei erwies sich der heimische Ortsverein als örtlicher Ausrichter sehr spendabel. Wer von den Teilnehmern auf sein Frühstück daheim verzichtet hatte oder dem Mittagessen vorgreifen wollte, konnte sich zwischen den verschiedenen Wahlgängen am Buffet mit „Brötchen und mehr“ bedienen.
Bevor Stefan Sauerteig, Mitglied des Coburger Stadtrates und dessen Klimaschutzbeauftragter, seine Bewerberrede für eine neue Aufgabe halten durfte, kamen erst einmal andere Politiker zu Wort. Da war von „Schulterschluss“ die Rede und die Aufforderung an die Akteure, „gemeinsam um Vertrauen zu werben“ (Can Aydin, Coburgs Dritter Bürgermeister).
MdB Andreas Schwarz (Bamberg) sprach von einer „harten Zeit, die vor uns liegt“. Währenddessen hatte sich der Coburger Oberbürgermeister Dominik Sauerteig, ein Bruder Stefans, auch noch im Saal eingefunden und sich in den hintersten Reihen einen Platz gesucht.
MdL Michael Busch sollte, so wies es die Tagesordnung aus, einen Rechenschaftsbericht geben. Doch das tat er nicht mit der Begründung: „Für einen Abschied wäre es heute noch zu früh“. Das gemeine Wahlvolk gab sich wortlos damit zufrieden.
Eine Rede hielt der 65-Jährige dennoch. Sie war ein Beleg für jahrelangen Frust, der sich offensichtlich in ihm aufgestaut hat. Busch, der wie kaum ein anderer während seines politischen Wirkens in der Region Höhen und Tiefen erlebte, beklagte die Machtarroganz der CSU. Markus Söder habe nicht die Größe eines Ministerpräsidenten, schimpfte Genosse Busch. Bei einer Feierstunde der Industrie- und Handelskammer zu Coburg auf Schloss Callenberg, wo der langjährige und verdienstvolle (Ehren-)Präsident Friedrich Herdan geehrt wurde, habe es Söder nicht lassen können, eine Wahlkampfrede zu halten. Das empfand Busch als peinlich.
Für das bayerische Kultusministerium forderte Busch – mit leichtem Augenzwinkern – einen Manager, um endlich die anstehenden Probleme lösen zu können. Und: Bayern sei ein reiches Land, es könne sich ein eigenes Belastungspaket für die Bürgerinnen und Bürger im Krisenjahr 2022 leisten. Nichts geschehe! Stattdessen ein Störfeuer nach dem anderen Richtung Berlin.
Michael Busch, den die SPD 2018 aus „guten Gründen“, wie vielfach zweideutig formuliert wurde und wird, mit Hilfe der Wählerinnen und Wähler aus der Position des Landrates (seit 2008) heraus auf die harten Oppositionsbänke des Bayerischen Landtages entsandte, wagte auch einen Blick nach vorn.
Viele jetzige SPD-Mandatsträger im Landtag des Freistaates werden bei der Wahl im Herbst 2023 nicht mehr antreten. So aus Oberfranken neben Busch die ehemalige Kulmbacher Oberbürgermeisterin Inge Aures (seit 2008) und Klaus Adelt (Hof, seit 2013), also mit Busch „drei bekannte Gesichter“, die meist respektable Wahlergebnisse einfuhren. Busch empfahl seinen Parteifreunden, mit einem eigenen Wahlkampfkonzept anzutreten und sich gegebenenfalls von Ideen und Plänen der Bundespartei abzugrenzen.
Es sollte, um noch einmal an die eingangs mit einem Beschluss abgesegnete Tagesordnung zu erinnern, eine Aussprache folgen. Doch die blieb aus, offenbar lockten Weiß- und Wiener Würstchen die Delegierten mehr.
Nicht aber Stefan Sauerteig. Schon 2018 hatte er mit einer Landtagskandidatur geliebäugelt, doch auf Anraten führender Sozialdemokraten seines Umfeldes ließ er Michael Busch den Vortritt. Jetzt aber sieht der 1988 im Tierkreiszeichen Widder geborene Coburger seine Zeit für gekommen, eine neue Herausforderung anzunehmen.
Knapp 13 DIN A 4 Seiten umfasste seine Rede. Es war eine Mischung aus sachlichen Argumenten, kritischen Betrachtungen, kämpferischem Mut und kleinen Spitzen. Wie unter den Brüdern Sauerteig schon üblich geworden, vergaß auch Stefan nicht, Dankesworte an seine Eltern zu richten, die ihm und seinen vier Brüdern „die wohl schönste Kindheit“ geschenkt haben. O-Ton Sauerteig: „Meinen Brüdern und mir wurde das ermöglicht, was man gemeinhin wohl als sozialdemokratischen Traum bezeichnet. Fortschritt durch Bildung.“
„Befristete Arbeitsverhältnisse“ vermitteln aus der Sichtweise Sauerteigs bei den Betroffenen das Gefühl der Ungewissheit. Der Pädagoge mit dem Zweiten Staatsexamen: „Auch das ist ein Schicksal, ja sogar eine politische Schande, die viele Kolleginnen und Kollegen trotz drängendem Bedarf an Förderung für unsere Kinder auch im Freistaat Bayern jedes Jahr aufs Neue ereilt.“
Der Stimmkreis 404 Coburg, so der später mit den Stimmen aller Delegierten in den Sattel gehobene Kandidat, verdient nach Worten Sauerteigs „eine starke, eine aktive und eine hochengagierte Stimme im Bayerischen Landtag, um unsere Interessen als Coburger Land im Wettbewerb der Regionen optimal zu vertreten“. Dann folgte die Spitze, die wohl an die Adresse des CSU-Kontrahenten Martin Mittag gerichtet war: „Die bloße Weitergabe von Mitteilungen der Bayerischen Staatsregierung und das Warten auf Unterstützungsbitten aus den Rathäusern der Region, ist mir zu wenig. Das erfüllt meinen Anspruch an die Ausübung dieses Mandats und des damit verbundenen Dienstes für unsere Bürgerinnen und Bürger nicht!“
Coburgs SPD-Urgestein Norbert Tessmer lobte Stefan Sauerteig für seine „leidenschaftliche Rede“. Wie schon MdL Michael Busch und andere zuvor sicherte der Alt-Oberbürgermeister dem neuen Hoffnungsträger der SPD seine volle Unterstützung zu.
Tobias Ehrlicher wird auf Stimmenfang geschickt
Dann war die Stunde für die Nominierung des Bezirkstagskandidaten gekommen. Auch hier war längst bekannt, dass die Coburger SPD diese Position mit dem Bürgermeister der Stadt Bad Rodach, Tobias Ehrlicher, besetzen möchte.
Derzeit sind die Coburger Sozialdemokraten im Bezirk von Oberfranken nicht vertreten. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird es zu einem Wettlauf um Stimmen vor allem zwischen dem CSU-Landrat Sebastian Straubel und dem Rodacher Bürgermeister kommen. Straubel gehört dem Bezirkstag seit 2018 an, für den 35-jährigen Ehrlicher ist es Neuland.
Die eine wie die andere Aufgabe (Landtags- und Bezirkstagsmandat) zu meistern, bedeute, so Realpolitiker in der SPD, eine Herkulesaufgabe für die Kandidaten. Sebastian Straubel hat es in seiner ersten Legislaturperiode bisher nicht geschafft, als Bezirksrat in Erscheinung zu treten.
Das Wirken dieses Plenums ist vielen Menschen auf oberfränkischer Ebene, wie wohl auch in anderen Teilen Bayerns, allgemein fremd. Das war schon einmal anders. Vor allem zu Zeiten eines Bezirkstagspräsidenten Edgar Sitzmann (1982 bis 2003, CSU). Und die Interessen Coburgs wussten wirkungsvoll zu vertreten Roswitha Friedrich (Bad Rodach) und Ingrid Klingler-Joppich (Rödental), beide SPD. Schon Neustadts Oberbürgermeister Frank Rebhan wurde mehr als Stadtoberhaupt, weniger als Bezirksrat wahrgenommen. Aus Neustadt kam auch Elke Protzmann, die zum Ende ihrer Amtszeit als Bezirksrätin bei der CSU in Ungnade fiel und jetzt den Freien Wählern angehört.
Eine Frage bleibt zur aktuellen Situation bei CSU wie SPD offen: Warum geben beide Parteien dem „zarten Geschlecht“ keine neue Chance? In beiden Lagern wird viel über Gleichberechtigung und Frauenquote diskutiert, wenn es aber um die Verteilung von lukrativen Posten geht, scheint das „starke Geschlecht“ seine Ellenbogen auszufahren.
Bei der SPD-Stimmkreiskonferenz im schmucklosen Saal der Gaststätte „Oylnspygl“ wurde nach Ramona Brehm gefragt. Die Coburger Stadträtin war bei der letzten Bundestagswahl zwar nicht zum Zuge gekommen, doch hatte sie sich tapfer geschlagen und viele Sympathien gesichert. In den zurückliegenden Monaten soll sie von Sozialdemokraten des Frankenwaldes als Landtagskandidatin im Stimmkreis Kronach-Lichtenfels umworben worden sein. Doch das wiederum soll „den Coburgern“ nicht gefallen haben. So ist es um die „Glücksbringerin“, also Schornsteinfegerin, wieder ruhiger geworden.
Siehe auch Interview mit Stefan Sauerteig