Fünf Fragen an SPD-Landtagskandidat Stefan Sauerteig

Elanvoller Einsatz für bessere Bildungspolitik

Herr Sauerteig, Sie sind Regelschullehrer. Sie haben in Bayern Pädagogik studiert, danach mehrere Jahre im rheinlandpfälzischen Mainz unterrichtet und sind jetzt im Nachbarland Thüringen (Neuhaus-Schierschnitz) tätig. Was ist nach Ihrer Meinung das bessere Schulsystem für die Schülerinnen und Schüler?

Sauerteig: Meiner Meinung nach sollen unsere Schulen immer auch ein Abbild unserer Gesellschaft sein. Die Bildungssysteme in Rheinland-Pfalz und Thüringen tragen dem mit den Schulmodellen der Integrierten Gesamtschulen, kurz „IGS“ und dem längeren gemeinsamen Unterricht an den Realschulen plus (Rheinland-Pfalz) und der Gemeinschaftsschule (Thüringen) Rechnung. Meinem Empfinden nach wirkt der Übertritt am Ende der vierten Jahrgangsstufe von der Grundschule an die Mittelschule, die Realschule oder das Gymnasium wie ein klarer „Cut“, den ich bildungspolitisch und mit Blick auf die psychische Gesundheit unserer Kleinkinder für falsch halte. Nach meinen Erfahrungen des Unterrichtens in drei verschiedenen Bildungssystemen trete ich für ein längeres gemeinsames Lernen ein und würde bei einer möglichen Wahl in den Landtag gerne an Modellen zur Implementierung dieses Gedankens in unser bayerisches Schulsystem mitarbeiten.

Es gibt in Bayern, auch im Coburger Land, viele Eltern, die ihre Kinder zum Schulunterricht nach Thüringen schicken. Wo sehen Sie Unterschiede im Leistungsangebot und in den Anforderungen?

Sauerteig: Natürlich hat jeder schon einmal die Behauptung zur Kenntnis genommen, dass es in Thüringen leichter wäre, einen guten Schulabschluss zu erhalten. Ich kann das aus meinem Erfahrungsschatz heraus aber nicht bestätigen. Die Anforderungen im Bereich der Grundschule und der mittleren Schulabschlüsse sind für mich vergleichbar, im Bereich der Allgemeinen Hochschulreife steht mir ein Urteil aufgrund von mangelnden Erfahrungen nicht zu. Für mich zeigen beispielsweise die Resultate des Bildungsmonitors der INSM (Initiative Soziale Marktwirtschaft), dass beide Bildungssysteme ähnliche Erfolge zeigen. Thüringen rangiert hier in etwa vergleichbar mit Bayern auf vorderen Plätzen. Bemerkbar ist jedoch, dass die Klassenstärke in Thüringen oftmals deutlich unter denen in Bayern liegt. Darin liegt natürlich eine große Chance für die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern, die bei größeren Klassen schwerer fällt.

Abiturienten aus anderen Bundesländern machen bayerischen Studienanfängern auf Grund besserer Notendurchschnitte in den Numerus-clausus-Fächern Plätze an den Universitäten streitig. Was gedenken Sie im Falle Ihrer Berufung in den Bayerischen Landtag zu tun, um diese offensichtliche Ungerechtigkeit aus der Welt zu schaffen?

Sauerteig: Ich persönlich empfinde den Numerus Clausus nicht nur aufgrund ihrer geschilderten Problemstellung als ungerecht. Er verbaut insbesondere Kindern und Jugendlichen mit weniger privilegierter Herkunft und weniger häuslicher Unterstützung den Berufsweg. Ich habe in meinem Alltag als Lehrer schon oft Unvorstellbares erlebt. Viele Kinder und Jugendliche entfalten ihr Potenzial in einem Lernumfeld, das sie sich selbst wählen, oftmals deutlich erfolgreicher, als wir es anhand der Abiturnote, dem Realschulabschluss oder dem „Quali“ ableiten würden. Insofern würde ich mich für einen Abbau des Numerus Clausus, der sich in großen Teilen auf die reine Abiturnote bezieht, einsetzen.

Sie haben in Ihrer Nominierungsversammlung kritisiert, dass im Freistaat Bayern die Ganztagsangebote an den Schulen „viel zu langsam ausgebaut werden“. Können Sie Beispiele aus der Praxis nennen?

Michael-busch-stefan-sauerteig
Stefan Sauerteig (links) soll Michael Busch (beide SPD) als Landtagsabgeordneter folgen. Bei dessen Nominierung in einer Stimmkreiskonferenz durch drei Dutzend Delegierte gab’s für den Kandidaten einen „guten Tropfen“. Foto W. Desombre

Sauerteig: Der Rechtsanspruch auf eine Ganztagesbetreuung im Grundschulbereich tritt ab dem Jahr 2026 in Kraft. Doch Zeit, sich zurückzulehnen, gibt es keine. Denn noch immer ist nicht klar, welche Form der Betreuung und mit welchem Personal der Freistaat sein Angebot gestalten möchte. Vom Hort bis zur offenen Ganztagesbetreuung durch Lehrer und pädagogisches Personal ist Vieles möglich. Dies spiegelt sich bisher aber weder in der Ausbildung der Lehrkräfte, noch im Werben um pädagogische Fachkräfte wider. Wir erleben, dass es an gut ausgebildetem Personal mangelt. Erzieherinnen und Erzieher entscheiden sich bei der Wahl der Beschäftigung zwischen einer Tätigkeit in der Ganztagsbetreuung oder in einer Kita aufgrund unklarer Arbeitsbedingungen und einem hohen Anteil an Teilzeitstellen oftmals für eine Tätigkeit im Kita-Bereich. Wenn der Freistaat also qualitativ hochwertige Ganztagsangebote für unsere Grundschulkinder realisiert wissen will, muss er die organisatorischen Rahmenbedingungen schnellstens klären. Dies würde auch den Trägern von Ganztagseinrichtungen, die sich an vielen Orten sehr um eine gute Betreuung für unsere Kinder bemühen, endlich die nötige Planungssicherheit verschaffen. Auch die Kommunen brauchen ein schlüssiges Konzept, um ihren Teil der Hausaufgaben für ein gutes Angebot erledigen zu können.

Der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband beklagt, dass an Grund-, Mittel- und Förderschulen im Freistaat rund 4.000 Pädagogen fehlen, während gleichzeitig gut ausgebildete Gymnasial- und Realschulanwärter vor der Arbeitslosigkeit stehen. Sind Ihnen solche Fälle auch in Coburg-Stadt und -Land bekannt?

Sauerteig: Zunächst ging es mir vor 8 Jahren persönlich ja selbst so, wie sie es in ihrer Frage schildern. Ich habe mich nach einer halbjährigen Beschäftigung an einer Mittelschule im Landkreis Coburg und dem Referendariat in Bayern für den beruflichen Weggang entschieden, als mir keine Planstelle angeboten werden konnte. Die Option, an einer Sondermaßnahme zum Erwerb der Lehramtsbefähigung an einer Mittelschule teilzunehmen, kam erst nach meiner Verbeamtung in Rheinland-Pfalz auf.

Mir sind auch andere Fälle von Kolleginnen und Kollegen aus unserer Region bekannt, die zunächst befristete Beschäftigungsverhältnisse eingingen, bevor sie entweder an einer Sondermaßnahme teilgenommen haben oder ins benachbarte Thüringen gewechselt sind. Das betrifft auch Kolleginnen und Kollegen, die aus Bayern stammen, ihr Studium und Referendariat jedoch nicht in Bayern absolviert haben und aufgrund einer in Bayern nicht existenten Fächerkombination täglich pendeln müssen. Ich kenne aber auch Kolleginnen und Kollegen, die sich nach dem Referendariat beruflich völlig neu aufgestellt haben und heute einer anderen Beschäftigung nachgehen. Das finde ich sehr bedauerlich, denn ich erlebe täglich, wie wichtig es wäre, viele unserer Kinder und Jugendlichen in kleineren Lerngruppen individueller betreuen und fördern zu können.

Die Fragen stellte Horst Mitzel