Was folgt dem „weißen Rössl“?

Musikalischer Leiter Reinhard Schmidt blickt zurück und schaut nach vorn

Herr Schmidt, in diesem Jahr feiert die Sommeroperette Heldritt ihr 5-Jähriges Bestehen und präsentiert das Singspiel „Im weißen Rössl“ auf der Waldbühne Heldritt. Sie sind Gründungsmitglied und Musikalischer Leiter. Was ist das Zeitlose an der Musik von Benatzky, das man das Singspiel auch nach mehr als 60 Jahren immer noch auf Theaterbühnen erleben kann?

Von der ersten Stunde an dabei: Reinhard Schmidt

Schmidt: Ich sehe den Grund dafür nicht nur in der Qualität von Benatzkys Musik, sondern generell in der oft angezweifelten aber durch die Zuschauerzahlen immer wieder bestätigten Zeitlosigkeit des Genres Operette. Während die Zukunft der «grossen Schwester» Oper seit ihrem Bestehen nie in Frage gestellt wurde, regten sich schon in den Jahren nach der Entstehung dieses Genres kritische Stimmen, die langfristig ein Weiterleben der Operette bezweifelten oder sogar für unerwünscht erachteten: „Von den einen verteufelt, verhätschelt von den anderen so tänzelt die Dame Operette seit mehr als einem Jahrhundert durch die Zeiten, besonders lebensfroh meist dann, wenn sie soeben wieder einmal totgesagt worden war“, schrieb einmal ein Kritiker der Berliner Morgenpost.

Der Ansicht, Operette sei altmodisch, sentimental und realitätsfern möchte ich entgegenhalten, dass meines Erachtens in einer
Zeit, in der die Fernseh-Landschaften zum Beispiel mit Tatort-Sendungen überfrachtet sind und für die meisten Medien der Wahlspruch
„Bad news are good news“ gilt, das Bedürfnis vieler Menschen nach einem Stückchen vermeintlich heilerer Welt, nach intelligentem Humor und nach der leichten Muse wohl nicht allzu schwer zu verstehen ist.

Der große Zuspruch, den unsere letztjährige Produktion «Die Drei von der Tankstelle» in der zeitgemäßen Adaption unserer Regisseurin Rita Lucia Schneider bei Publikum und Presse fand, lässt uns auch für Benatzkys «Im Weißen Rössl», dessen Musik aus der gleichen Zeit wie Werner R. Heymanns Musik zu «Die Drei von der Tankstelle» stammt, auf ein großes Publikumsinteresse hoffen.

In diesem Jahr stehen sowohl ausgebildete Sänger/innen, als auch sehr talentierte Amateure als Darsteller auf der Bühne. Macht das in der Vorbereitung und Probenarbeit für Sie einen Unterschied?

Schmidt: Ich würde das leider manchmal etwas ‚belastete‘ Wort ‘Amateur‘ gerne durch ‘Nicht-Profi‘ ersetzen. Mit Rainer Möbus und Tobias Engelhardt stehen jedoch zwei Darsteller mit viel Erfahrung auf der Bühne, die beim Heimatverein Heldritt oder bei der Sommeroperette Heldritt schon große Erfolge verbucht haben. Da ist keine gesonderte Herangehensweise nötig. Für mich gilt als Ziel immer: ‚Das Maximum des Möglichen‘!

In diesem Jahr wird das Programm ergänzt mit einer Matinee, mit dem kecken Titel „Küssen macht so gut wie keinGeräusch“. Was verbirgt sich dahinter?

Schmidt: Es ist ein Zitat aus der Operette «Madame Pompadour» des wunderbaren Operettenkomponisten Leo Fall, zu dessen 150.Geburtstag in diesem Jahr wir diese Matinee veranstalten. Gerrit Engelke (1890 bis 1918) ist in seinem Gedicht «Der Kuss» allerdings anderer Meinung, wenn er schreibt: „….Der eine haucht, der andere schmatzt, als wenn ein alter Reifen platzt…“

Was war bisher ihr Highlight der letzten 5 Spielzeiten?

Schmidt: Es war eigentlich jede der vergangenen 5 Spielzeiten – aus unterschiedlichen Gründen – ein Highlight: dass wir 2018 nach der Neugründung des Vereins mit einem großen Konzert die Tradition nahtlos weiterführen und 2019 mit «Die Landstreicher» und dem von Friedhelm Wölfert gebauten und durch die VR-Bank Coburg geförderten Orchesterpavillon wieder eine Operette produzieren konnten, dass wir auch in den beiden Pandemie-Jahren – mit begrenzter Besucherzahl – spielen konnten und im letzten Sommer – wie erwähnt – mit «Die Drei von der Tankstelle» höchst erfolgreich waren, was auch für mich – wenn ich mich entscheiden muss – das Highlight war.

Und was sind ihre musikalischen Wünsche für die nächsten 5 Spielzeiten?

Schmidt: Leider sind Wünsche unter anderem auch immer abhängig von der Kostenfrage. Werke, die noch einer Schutzfrist unterliegen, sind – bedingt durch Tantiemen und die Materialleihgebühr – in der Produktion wesentlich teurer. Dann muss natürlich auch ein Konsens im Führungsteam bestehen. Unabhängig von diesen Aspekten wären für mich Wunschtitel kommender Spielzeiten «Die Csárdásfürstin»
(Emmerich Kálmán), als Wiederholung von 2004 wieder «Der Bettelstudent» (Carl Millöcker) und das bei uns leider nicht so populäre Musical «The sound of music» (Richard Rodgers und Oscar Hammerstein), das die Geschichte der Trapp-Familie beinhaltet und in der heutigen Zeit mit den vielen Menschen, die aus politischen Gründen zur Flucht aus ihrer Heimat gezwungen sind – leider – wieder sehr aktuell ist.