Claus Geuther im Interview über Entscheidungen am Ratstisch
Herr Geuther, Sie sind der einzige Volljurist im Stadtrat Bad Rodachs. Werden Sie von Verwaltung und/oder Gremium im Bedarfsfall um Ihre juristische Expertise gefragt?
Geuther: Von Verwaltung wie auch einzelnen Stadtratsmitgliedern kommen eher selten Anfragen zu rechtlichen Sachverhalten. Da verhält es sich aber wohl auch nicht anders wie bei Anfragen an meine Stadtratskollegen und –kolleginnen, die im Hinblick auf deren berufliche Tätigkeiten gestellt werden können; auch hier könnte eine größere fachliche Einbeziehung manches Problem handhabbarer machen.
Die Stadt Bad Rodach kann aktuell keinen genehmigungsfähigen Haushalt vorlegen. Sie räumt ein, dass sie jüngst 10 bis 15 Hektar Grundstücke an der Elsaer Straße erworben hat, für die es nun keinen vermeintlichen Bedarf gibt. Lag für dieses Handeln ein offizieller Stadtratsbeschluss vor, in dem der Erste Bürgermeister beauftragt wurde, Grundstückskäufe in dieser Größenordnung zu tätigen?
Es gab hierzu keinen Stadtratsbeschluss.
Es ist allgemein bekannt, dass vor geraumer Zeit ein heimisches Industrieunternehmen ankündigte, imposante Investitionen tätigen zu wollen. Es sollte am Standort Bad Rodach oder in einem anderen Bundesland eine größere Produktionshalle errichtet werden. Bad Rodach wollte dabei die Nase vorn haben. Ist Ihnen bekannt, ob die Anfrage vertraglich untermauert war?
Hierzu habe ich keine Kenntnisse.
Gemeinsam mit dem damaligen Stadtrat Herbert Müller haben Sie im Jahr 2019 im Stadtrat den Antrag eingebracht, einen Flächennutzungsplan für ein neues Gewerbegebiet erstellen zu lassen, um bei Nachfragen Interessenten Bauflächen anbieten zu können. Warum sind Sie damals mit Ihrem Anliegen gescheitert?
Herbert Müller und ich gehörten ja bekanntermaßen bis April 2019 einer anderen Stadtratsfraktion an, die sich bereits in ihrem Wahlprospekt für 2014 dafür ausgesprochen hatte, weitere Gewerbegebiete auszuweisen. Leider ist aber in dieser Hinsicht seitdem von dort nichts erfolgt; auch dies war ein Grund für unseren eigenen Weg mit der SBB. In der Folgezeit haben wir uns mehrfach – auch antragsmäßig – dafür ausgesprochen, an der Elsaer Straße das Gewerbegebiet zu erweitern. So hat sich zum Beispiel der Ferienausschuss im August 2019 mit einem entsprechenden SBB-Antrag befasst, dann aber leider beschlossen, dass eine Ausweisung von Gewerbeflächen derzeit unterbleiben solle. Was die Motivation der Mitglieder des Ferienausschusses zur Ablehnung war, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis; damals hatte wohl keiner der Abstimmenden eine entsprechende Notwendigkeit zur Ansiedelung weiterer Gewerbebetriebe gesehen.
Wäre die Mehrheit Ihrer Kolleginnen und Kollegen dem Antrag gefolgt, hätte der Stadtrat später nach Bedarf handeln können und würde heute nicht auf millionenschweren Grundstücken sitzen. Ist dem so?
Diese Frage lässt sich nicht mit einem klaren Ja oder Nein beantworten, da mir nicht bekannt ist, ob und wie viele Betriebe sich dort hätten ansiedeln wollen. Aber aus meiner langjährigen Tätigkeit in mehreren Baulandumlegungsausschüssen in Thüringen habe ich festgestellt, dass Investitionsentscheidungen nicht zuletzt auch davon abhängen, wie schnell eine Gewerbefläche verfügbar ist. Ein Angebot schafft Nachfrage. Ist der Fall umgekehrt, wie vorliegend, also erst die Nachfrage, dann die zeitaufwändigen Bemühungen um ein Angebot, können in der Zwischenzeit Umstände eintreten, die diese Bemühungen zunichtemachen; das ist, was wir gerade erlebt haben. Ich tendiere daher zur Aussage, dass wir mit einer Angebotsfläche vermutlich Gewerbe oder Industrie dort hätten ansiedeln können – mit der positiven Folge von jetzt hilfreichen zusätzlichen Gewerbesteuereinnahmen.
War es aber nicht schon seit Jahren so, dass die Stadt Bad Rodach finanzielle Engpässe zu beklagen hatte? Im Wahljahr 2020 gab es entsprechende warnende Stimmen, an die sich nicht nur Kommunalpolitiker erinnern.
Nun bin ich nicht gerade ein ausgewiesener Finanz-Politiker. Aber diese warnenden Stimmen gab es.
Insider sehen sich in ihrer Vermutung vor allem dadurch bestätigt, dass die Stadt Bad Rodach in der Vergangenheit gerne Grundstücke preiswert erwarb, um diese später mit respektablem Gewinn zu verkaufen. Sind Ihnen solche Fälle bekannt?
Wie Sie wissen, unterliegen die Inhalte von Verträgen der Geheimhaltungspflicht, wenn deren Veröffentlichung Nachteile für die Vertragsparteien und insbesondere auch für öffentliche Gemeinwesen nach sich ziehen könnten. Desweiteren unterliegen wir Stadträte einer Verschwiegenheitspflicht bezüglich nicht-öffentlicher Angelegenheiten. Insoweit werden Sie verstehen, dass ich zu Ihrer Frage nicht Stellung beziehen könnte, ohne meine Pflichten zu verletzen. Daher muss ich die Frage leider unbeantwortet lassen. Ich darf aber auf Artikel 74 Absatz 1 der Bayerischen Gemeindeordnung hinweisen, der besagt: „Die Gemeinde soll Vermögensgegenstände nur erwerben, wenn das zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist.“ Mit anderen Worten wäre ein Erwerb zum Zwecke der Vermögensmehrung im Rahmen eines teureren Verkaufes ein Verstoß gegen das Kommunalrecht, wenn der Gegenstand nicht der Erfüllung einer gemeindlichen Aufgabe dient.
Nun sieht sich die Spitze Bad Rodachs selbst im „Tal der Tränen“, wie es in einer in den letzten Apriltagen veröffentlichten Pressemitteilung heißt. Was müssen Verwaltung und Stadtrat jetzt tun, um aus der Misere möglichst rasch herauszukommen?
Es müssen, wie bereits von anderer Seite geäußert, alle Ausgaben und alle Einnahmemöglichkeiten auf den Prüfstand. Bei den Ausgaben ist nach dem Kommunalrecht zu unterscheiden zwischen Pflichtaufgaben und freiwilligen Aufgaben. Pflichtaufgaben sind regelmäßig zu erfüllen, wenn nötig in kommunaler Zusammenarbeit, sofern die eigene Leistungsfähigkeit überstiegen wird; hier besteht also ein geringeres Einsparpotenzial. Freiwillige Aufgaben müssen dagegen zurückgefahren werden, wenn die Finanzmittel knapp sind.
Auf der Einnahmenseite sind der Gemeinde aber auch Grenzen gesetzt. So dürfen Beiträge und Gebühren nicht der Erzielung von Gewinnen – oder der Ausgleichung von Verlusten – dienen, da die Kommune lediglich kostendeckend arbeiten darf, nicht aber gewinnorientiert. Es könnte allenfalls im Rahmen der bestehenden Gesetze an die Einführung neuer Steuern gedacht werden wie beispielsweise eine Zweitwohnungssteuer oder eine Pferdesteuer, sofern die Voraussetzungen dafür erfüllt sind.
Wichtig ist vor Allem die schnellstmögliche Vermarktung der Gewerbeflächen. Hier muss sehr zügig am Bebauungsplanverfahren weiter gearbeitet werden. Um Grundstücke für Investoren passgenau zur Verfügung stellen zu können, wäre dann gegebenenfalls an ein freiwilliges Baulandumlegungsverfahren zu denken, da hier die Umlegungsbehörde kurzfristig Vorabregelungen treffen kann, um Investoren zeitnah in den Besitz von bedürfnisgerechten Gewerbeflächen zu bringen.
Blicken wir ein bisschen weiter zurück. Die Stadt Bad Rodach hat den Wiesenweg an einen benachbarten Industriebetrieb verkauft. Wütende Proteste in der Bürgerschaft klingen noch heute vielen in den Ohren. Von Anfang an haben Sie deutlich gemacht, dass der Verkauf rechtswidrig war. Das haben Sie auch dem Landratsamt Coburg als Rechtsaufsichtsbehörde mitgeteilt. Was hat daraufhin die Kommunalaufsicht unternommen? Stehen Sie mit ihr in Kontakt?
Die Kommunalaufsicht hat sich in einer Antwort mir gegenüber recht pauschal geäußert, ohne die konkrete – von mir auch so dargestellte – Sachlage präzise zu beurteilen. Hier hätte ich mir deutliche Aussagen gewünscht, da es sich aus meiner Sicht um einen der recht seltenen Fälle eines klaren Sachverhalts handelt. Ein kurzer Ortstermin am Wiesenweg hätte nämlich ergeben, dass dieser rege genutzt wird, also seine Verkehrsbedeutung nicht verloren hat. Damit hätte dann bereits festgestanden, dass eine Einziehung nur rechtswidrig sein kann.
Dass ein Verkauf ohne Einziehungsmöglichkeit des Weges nicht das gewünschte Ergebnis der uneingeschränkten Nutzung durch den Käufer nach sich zieht, hätte dann zum Unterlassen des Verkaufs führen müssen.
Eine beamtenrechtliche Würdigung der gesamten Umstände im Zusammenhang mit der vergessenen Einziehung und dem Verkauf ohne vorherigen Stadtratsbeschluss steht hingegen noch aus. Schriftliche Nachfragen haben nicht zum Ergebnis gehabt, dass die Kommunalaufsicht sich der Angelegenheit nochmals angenommen hat.
Zwar gab es vor knapp 1 ½ Jahren eine Video-Konferenz, an der der Landrat, sein Wirtschaftsförderer, die Geschäftsleitung von HABA und ich teilgenommen haben, doch war mein Eindruck der, dass ich meine klare Haltung zum Wiesenweg hätte aufgeben sollen, damit das Problem so vom Tisch kommt. Wer mich allerdings kennt, der weiß auch, dass dieser Versuch nur scheitern konnte, da Recht und Gesetz für mich nicht verhandelbare Güter sind.
Es sieht für mich danach aus, als ob die Angelegenheit nunmehr „ausgesessen“ werden soll, weil andernfalls unangenehme Wahrheiten zur Sprache zu bringen wären. Meine Vorstellung von „Rechtsstaat“ ist jedenfalls eine andere.
Sowohl Landrat Sebastian Straubel (CSU) als auch Bürgermeister und Kreisrat Tobias Ehrlicher (SPD) drücken sich seit fast drei Jahren um klare Aussagen zu diesem umstrittenen Thema. Jetzt wird gemunkelt, dass von übergeordneten Behörden längst eine Stellungnahme hierzu vorliege, diese jedoch der Öffentlichkeit vorenthalten werde. Was wollen Sie tun, damit das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat nicht weiter strapaziert wird?
Wichtig ist, dass der Wiesenweg offengehalten ist und von der Allgemeinheit genutzt werden kann. Zumindest in diesem Punkt hatte die Kommunalaufsicht die Stadt dazu veranlasst, dem Käufer aufzugeben, die seinerzeit aufgestellten Sperrschilder wieder zu entfernen.
Mir verbleibt nur, nochmals beim Landratsamt nachzufragen und zu hoffen, dass endlich klare Aussagen zu dem gesamten Themenkomplex einschließlich einer Würdigung des Verwaltungshandelns der Verantwortlichen kommen. Im Übrigen werde ich mich dort, wo es in meiner Macht steht, im Interesse meiner Mitbürger und – bürgerinnen weiter darum bemühen, dass der Rechtsstaat auch tatsächlich gelebt werden kann. Oberste Richtschnur können nur Recht und die bestehenden Gesetze sein, die keinen Selbstzweck darstellen, sondern immer den Schutz des Schwächeren im Blick haben.
Die Fragen stellte Horst Mitzel