Heldburg sticht Bad Rodach und Seßlach aus

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Heldburg sticht Bad Rodach und Seßlach aus

Mit sechs bis acht Mitarbeitern aus Verwaltung, Tourismusbüro und Bauhof ist es Bürgermeister Christopher Other (32) neben der täglichen Arbeit gelungen, mit attraktiven Veranstaltungen an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden mehrere tausend Besucher ins kleine Heldburg zu locken. Verbunden damit war sogar eine landesweite Werbung für das Städtchen im Rodachtal, was ihm in Zusammenarbeit mit dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) über den Äther gelang.

Den Auftakt bildete zunächst das traditionelle Stadtfest, das diesmal um ein Foodtruck-Festival bereichert wurde. Die Idee dazu war dem Bürgermeister nicht an seinem Schreibtisch im Rathaus gekommen, sondern bei einem Besuch im fernen Ljubljana / Slowenien. Die Lebensfreude der Menschen und die Atmosphäre in der über 250.000 Einwohner zählenden Stadt hatte ihn beeindruckt.

Zurück in der Heimat, suchte der gestaltungsfreudige Kommunalpolitiker nach Partnern für sein Vorhaben. Die fand er bald in der Metropolregion Nürnberg. Und die wiederum waren zunächst vom Mut des jungen Bürgermeisters überrrascht, „so ein großes Ding“ realisieren zu wollen, ließen sich aber dann von dessen zielorientiertem Handeln überzeugen. Für die Anbieter des Foodtruck-Festivals kommen sonst nur größere Städte in Frage, selbst Sonneberg (23.000 Einwohner) und Coburg (41.000) sind Ausnahmen. Heldburg zählt mit seinen 12 Ortsteilen rund 3.300 Einwohner, wovon nur knapp ein Drittel in der Kernstadt wohnen.

So also wurde der Marktplatz in der Stadt am Fuße der „Fränkischen Leuchte“ zu einer Genussmeile. Das Angebot an 17 Stationen war vielfältig, es reichte von Tacos, Bowls und Burgern über Wraps, Mac bis Cheese. Nicht weniger lecker waren Cheesecakes, Corndogs, Langos, Kartoffelspezialitäten, Cocktails und Samosas. 5.000 bis 6.000 Besucher, so Christopher Other, waren begeistert.

Die Welt der Kulinarik war das Eine, das Rahmenprogramm das Andere, insbesondere von heimischen Vereinen gestaltet. Wer wollte, konnte auch an einer Stadtführung teilnehmen, Kino in der Kirche erleben oder bis in die Nacht hinein tanzen.

MDR-Sommernachtsball zum zweiten Mal in der Altstadt unter der Veste

Noch mehr Gelegenheit zum Tanzen gab es eine Woche später beim MDR-Sommernachtsball, ebenfalls auf dem historischen Marktplatz. Schon zum zweiten Mal seit 2009 war Heldburg der Gastgeber. Ob er sich daran erinnern könne, wurde Christopher Other anfangs von der Moderatorin des Abends gefragt. Der damals 18-Jährige aus dem heutigen Stadtteil Hellingen konnte sich erinnern. Heldburgs Bürgermeisterin war 2009 Anita Schwarz.

Für Christopher Other und den Stadtrat gab es gute Gründe, beide Veranstaltungen auf dem Heldburger Pflaster durchführen zu lassen. Sie wollen im Rahmen ihrer Möglichkeit die Innenstadt beleben, das Selbstbewußtsein ihrer Bürgerinnen und Bürger stärken, neue Gäste für Stadt und Veste Heldburg gewinnen, ihren Vereinen zugleich Gelegenheit geben, sich zu präsentieren und dabei die Gemeinschaft zu pflegen.

Beim Sommernachtsball übernahmen mehrere Vereine die Versorgung der Besucherinnen und Besucher, die aus dem gesamten Stadtbereich und den angrenzenden Landkreisen herbei geeilt waren. Sie verrichteten Ihre Aufgabe mit sehr viel Engagement. Ihr Angebot reichte von der Thüringer Bratwurst bis zu bekannten Spezialitäten. Ein Cocktail kostete 6.– Euro, eine Portion Gyros 8.– Euro. Kritiker sprachen von „stolzen Preisen“.

Für das Stadtfest mit Foodtruck-Festival (in Zukunft im zweijährigen Wechsel mit der Montgolfiade?) und für den MDR-Sommernachtsball hat der Heldburger Stadtrat 30.000 Euro in seinen laufenden Haushalt eingeplant. Eine lohnenswerte Investition nicht nur zur Imagepflege der südthüringischen Kleinstadt, über die einen Abend lang Rundfunkhörer im ganzen Freistaat einiges erfuhren und möglicherweise ermuntert wurden, sie selbst einmal zu besuchen.

Wie lange noch duckt sich der Bad Rodacher Stadtrat weg?

Nicht ausgeschlossen, dass so mancher Zeitgenosse in der unmittelbaren Nachbarschaft von Heldburg etwas nachdenklich und vielleicht sogar neidisch wird. Vor allem in Bad Rodach und in Seßlach, wo in den letzten Wochen drei größere Veranstaltungen aus verschiedenen, nicht immer nachvollziehbaren Gründen, aus dem jeweiligen Terminkalender gelöscht wurden.

In allen drei Fällen ist die Entscheidung noch immer umstritten. Vor allem deshalb, weil es doch besonders Politiker waren und sind, die nach den Pandemiejahren oftmals wortstark die Wiederbelebung der sozialen Kontakte fordern. Gehen sie aber auch mit gutem Beispiel voran, wenn es um Mitarbeit und Förderung geht?

Die Gründe für die Absage der Veranstaltungen in Bad Rodach (6.600 Einwohner) und in Seßlach (3.900) sind unterschiedlich. In der Stadt unterm St. Georgenberg traf es das Markt- und Fischerfest sowie den „Tag der Europäer“.

Gerade der „Tag der Europäer“ hätte 2023 unter Berücksichtigung der politischen Geschehnisse in Europa an Bedeutung gewonnen. Ausbaufähig erscheint dessen Angebot schon seit Jahren, doch dazu fehlt es den Verantwortlichen am Engagement. Das Alleinstellungsmerkmal, wie der „Tag der Europäer“ (noch) ist, könnte längst zu mehr Gästewerbung genutzt werden. Aber die wird in der Stadt, wo sich im September des laufenden Jahres die Grundsteinlegung für das Thermalbad zum 50. Mal jährt, vernachlässigt.

Dass sich Bad Rodach derzeit im „Tal der Tränen“ befindet, hat „amtlichen Charakter“, weil dieses Bild von kompetenter Stelle geprägt wurde: vom Rathauschef. Die Stadt steckt nach Grundstückskäufen in finanzieller Not, die Wiederverwendung der Bodenflächen ist in weite Ferne gerückt. Es wäre an der Zeit, dass sich die Fraktionen des Stadtrates endlich einmal öffentlich dazu äußern. Einerseits wird auf Ersten Bürgermeister Tobias Ehrlicher (36) gezeigt, andererseits duckt sich die überwiegende Mehrheit des Gremiums weg. Gefragt ist die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Nämlich vom „Meister der Bürger“ wie von den Stadträten. Der Stadtrat Bad Rodach zählt 20 Mitglieder. 19 von ihnen schweigen. Einer von ihnen hat sich in unserer Juni-Ausgabe geäußert.

Die Löschung der genannten Veranstaltungen aus finanziellen Gründen mag nur teilweise akzeptiert werden, wenn überhaupt. Sollten deshalb die Entscheidungsträger in Bad Rodach nach einer Orientierung für einen Neuanfang suchen, wird ihnen eine Kontaktaufnahme mit dem kleineren, aber möglicherweise einfallsreicheren Nachbarn Stadt Heldburg empfohlen.

Kehrt Seßlach in seine Vergangenheit zurück?

Anders ist die Lage in Seßlach. Sein Altstadtfest wurde in der 30-jährigen Amtszeit (1984 bis 2014) von Bürgermeister Hendrik Dressel ins Leben gerufen. Im Laufe der Jahrzehnte ist es zu einem vielbeachteten Besuchermagneten geworden. Doch 2023 fällt es erstmals aus. Viele Bürgerinnen und Bürger sind enttäuscht, ihr Groll richtet sich gegen das amtierende Stadtoberhaupt und den Stadtrat.

Nun darf in die Erinnerung zurückgerufen werden, dass schon im vorigen Jahr Probleme auftraten. So versagte relativ kurzfristig ein Gastwirt seine Mitarbeit, ein weiterer hatte sich schon zuvor passiv verhalten und ein dritter erklärte in aller Offenheit, dass er zwar die Veranstaltung mit trage, aber nicht aus wirtschaftlichen Gründen. Und so mancher Bewohner in den historischen Häusern innerhalb der Stadtmauern empfand den Lärm an den Festtagen als Belastung.

Hinzu kam im Frühjahr dieses Jahres, dass nach einem relativ kurzen Gastspiel eine Mitarbeiterin im Tourismusbüro ihr Arbeitsverhältnis kündigte. Um aber die anstehenden Festivitäten nicht absagen zu müssen, verzichtete der Stadtrat auf eine aufwändige Ausschreibung der freiwerdenden Stelle und bemühte sich um eine rasche Lösung. Die wurde auch tatsächlich innerhalb weniger Wochen erreicht. Doch die Freude über die Neubesetzung war nur von kurzer Dauer, denn die Neue warf schon nach wenigen Tagen das Handtuch. Sie hatte wohl den Arbeitsaufwand, der ihr erst jetzt bewußt wurde, anders eingeschätzt.

Bürgermeister Maximilian Neeb (31) stand nicht nur vor diesem Personalproblem, es gab noch ein weiteres in der Kämmerei, doch dieses ist unterdessen ausgeräumt. Das Thema „Tourismuskraft“ wurde schließlich im Haupt- und Finanzausschuss diskutiert. Das siebenköpfige Gremium sah keinen Ausweg und entschied schließlich mit 6:1 Stimmen, auf das Altstadtfest im August ’23 zu verzichten. Selten wurde die Öffentlichkeit so rasch offiziell informiert, wie in diesem Fall. Daraufhin machte sich in der Bürgerschaft Enttäuschung breit. Im Sportverein DJK/FC Seßlach war man sehr „sauer“. Jahrelang galt er dank seiner intensiven Mitwirkung am Rahmenprogramm als eine der tragenden Säulen des beliebten Events, das während seiner Dauer die Innenstadt belebte. Unabhängig vom sportlichen Wert der Wettkämpfe, die jahrelang auf viel Resonanz stießen, waren auch die finanziellen Einnahmen für den Verein wichtig.

Nicht minder wichtig hätte, so argumentiert eine stattliche Anzahl Kritiker, die Entscheidung über Fortführung oder Absage der Traditionsveranstaltung erst nach Abwägung aller relevanten Punkte auf breiterer Ebene erfolgen sollen. Bedauert wird, dass versäumt wurde, möglichst viele Vereine im gesamten Stadtbereich um Rat und Hilfe zu bitten. Das gilt auch für Dorfgemeinschaften bis am Rande der Stadtgrenzen.

Hinzu kommt, dass mit Silvia Tauss eine langjährige Tourismusfachkraft dem Stadtrat angehört, die über Jahrzehnte erfolgreich das Altstadtfest organisierte. Und wohl keiner in Seßlach kann sich vorstellen, dass für die Durchführung der Festtage der ehemalige Bürgermeister Hendrik Dressel nein gesagt hätte, wenn er um Unterstützung gebeten worden wäre. Ähnliches gilt auch für ehemalige Bedienstete der Stadtverwaltung.

Warum ist keiner von ihnen gefragt und um praktische Hilfe gebeten worden? Oder hat der Erste Bürgermeister körbeweise Absagen bekommen?