Kommunalpolitischer Neuling erobert Bürgermeisteramt in Weitramsdorf 

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Kommunalpolitischer Neuling erobert Bürgermeisteramt in Weitramsdorf

Haben alle aus der Vergangenheit gelernt?

Nichts dokumentiert die Zerrissenheit der Gemeinde Weitramsdorf mehr als das Ergebnis der Bürgermeister-Stichwahl. Nur etwa die Hälfte der Wahlberechtigten hat sich die Mühe gemacht, einem der beiden, nach dem ersten Wahlgang verbliebenen Kandidaten ihr Vertrauen mittels Stimmzettel zu schenken. Von den 2.133 gültigen Stimmen entfielen 1.069 auf den nun ins Amt gehievten CSU-Bewerber Hans Steinfelder (47). Das ist bei 4.105 Wahlberechtigten etwa ein Viertel, also 26,04 Prozent. Welch mageres Resultat!

Spürbares Aufatmen in der CSU, tiefe Niedergeschlagenheit in der SPD. So lässt sich die aktuelle Situation in einem Satz beschreiben. Die Union und ihr Kurzzeit-Bürgermeister Christian Brettschneider trugen die Verantwortung dafür, dass schon wieder die Position des Ersten Bürgermeisters neu zu besetzen war. Zum dritten Mal in Folge seit dem Frühjahr 2020.

Hans Steinfelder, Neuling auf dem kommunalpolitischen Parkett, brachte sich als Wahl-Weitramsdorfer nach dem Rücktritt Brettschneiders selbst als möglicher Nachfolger ins Gespräch. Zugleich gelang es ihm innerhalb weniger Wochen, ein Team um sich zu scharen, das in der Krise die Chance für einen Neuanfang sah. Freilich, der Youngster Steinfelder leistete sich bei seiner intensiven Wahlkampftour durch den Gemeindebereich einige Patzer, die auch seinem treuen Anhang zeitweise leichte Bauchschmerzen bereiteten. Seine Ankündigung, er werde im Falle seiner Wahl für „frischen Wind“ sorgen, warf die Frage auf, ob Vorgänger und Parteikollege Brettschneider eine „muffige Verwaltung“ hinterlassen habe, die zeitnah „durchgelüftet“ werden müsse. Und die Konkurrenz ließ es nicht an Spott und Hohn fehlen.

Doch die breite Öffentlichkeit sah über Steinfelders Schnitzer hinweg. Sie registrierte in zunehmendem Maße das persönliche Engagement des ehrgeizigen CSU-Kandidaten, der keine Möglichkeit ausließ, mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen. Gelegentlich auch bei Glühwein und Bratwurst.

Derweil blieb sein Mitbewerber Dominic Juck (SPD) zurückhaltend, für viele einfach blass. Vor beiden Wahlgängen verzichtete der 39-Jährige weitestgehend auf den „klassischen Wahlkampf“, weil er davon ausging, dass seine mehrjährige Tätigkeit im Gemeinderat und sein Wirken als Stellvertreter des Ersten Bürgermeisters wohl ausreichen würden, um die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler für sich zu gewinnen. Immerhin hatte Juck im ersten Wahlgang (mit drei Kandidaten) einen Stimmenanteil von 38 Prozent erreicht. Dabei war Christian Platzer (FW/BV) ausgeschieden, Hans Steinfelder mit dem nächst höheren Anteil von 33 Prozent im Rennen geblieben.

Der wusste die noch verbleibenden zwei Wochen bis zur Stichwahl zu nutzen, er legte eine Schippe drauf. Dazu kam, dass Dominic Jucks Kritiker außerhalb der politischen Szene nicht müde wurden, immer wieder ihm am Zeug zu flicken. Sie verwiesen auf dessen Verantwortung beim finanziell angeschlagenen SV Weidach oder auf die Verärgerung über Teile des Gemeinderates in den Reihen der Feuerwehr des selben Gemeindeteils. Hinzu kamen die Auseinandersetzungen um die Verkehrsregelung in der Schulstraße in Weitramsdorf, die auch jetzt noch Polizei und Staatsanwaltschaft beschäftigen. Zudem hat die Gemeindeverwaltung einem Anlieger eine Rechnung über mehrere hundert Euro für einen folgenschweren Protest zugestellt …

Nahezu geschlossen hinter dem Sozialdemokraten Juck stand das sonst eher CSU-freundlich wirkende Neundorf, wo er mit seiner jungen Familie wohnt. Im zweiten Wahlgang stärkte die Dorfgemeinschaft ihm mit einem Stimmenanteil von 101:14 den Rücken, nachdem er im ersten Wahlgang 93 Stimmen für sich buchen konnte. Platzer und Steinfelder erhielten gemeinsam 30. Doch im Finale schmolz der Vorsprung von Wahlbezirk zu Wahlbezirk rasch dahin. Schließlich gewann der bisherige Berufssoldat Steinfelder mit 1.069 Stimmen; für Dominic Juck gab es ganze fünf weniger.

Die Enttäuschung über das knappe Wahlergebnis ist deshalb auch im SPD-Kreisverband Coburg-Land groß, vor allem unter dem Hinweis auf die geringe Wahlbeteiligung, also dem hohen eigentlich zur Verfügung stehenden Wählerpotenzial. Der Partei hätte in diesen unruhigen Zeiten ein Erfolg über Weitramsdorf hinaus gut getan, sagen etliche der „Roten“. Im Rahmen seiner Möglichkeiten hat der Kreisverband Dominic Juck, der zum zweiten Mal nach 2020 an die Spitze Weitramsdorfs rücken wollte, ideell und finanziell unterstützt. Kreisvorsitzender Carsten Höllein warf sich sogar für den Genossen Juck persönlich in die Bresche und verteilte in dessen Wohnort Neundorf Flyer zur Wahl in den Briefkästen der einzelnen Haushalte.

Sie unterstützten Hans Steinfelder (Zweiter von links) auf dem Weg an die Spitze der Gemeinde Weitramsdorf: MdL und CSU-Kreisvorsitzender Martin Mittag, Ehrenbürger Werner Strehler und der Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion Klaus Holetschek. Fotos: Privat

Hans Steinfelder sprangen in der CSU wohl noch mehr Parteifreunde zur Seite. Ob Kreisvorsitzender MdL Martin Mittag oder MdB Dr. Jonas Geissler, sie unterstützten den 47-Jährigen mit Rat und Hilfe. Diese kam sogar aus München.

Seine Fahrt nach Gauerstadt zu einem CSU-Empfang unterbrach Klaus Holetscheck (Vorsitzender der CSU-Landtagsfraktion) in Weitramsdorf, um Hans Steinfelder bei einem Bürgerspaziergang zu begleiten (Foto).

Am 12. März trat der Gewählte erstmals seinen Dienst im Rathaus an, ohne dass durch den „Zweiten“ oder „Dritten“ eine offizielle Übergabe der Amtsgeschäfte erfolgte, die sie seit dem Rücktritt Christian Brettschneiders erledigten. Welch ein Versäumnis! Was wirft das für ein Licht auf die Verantwortlichen … Dominic Juck hatte nach seiner Niederlage erklärt, seine Anstellung bei der Stadt Coburg sei ein „Traumjob“ (Coburger Tageblatt). Wollte er also wirklich seinen „Traumjob“ mit dem Amt eines Dorfbürgermeisters tauschen?

Im Rathaus und auch an anderer Stelle im Gemeindebereich ist der neue Bürgermeister bereits tätig. Bei Vereinen hat er sich auch schon sehen lassen, so zum Beispiel bei der Jagdgenossenschaft Altenhof und beim Radlerverein Neundorf. Seine offizielle Amtseinführung soll im Rahmen der nächsten turnusgemäß stattfindenden Gemeinderatssitzung am Montag, 25. März, erfolgen. Seine Vereidigung wäre eigentlich eine Aufgabe für den Zweiten Bürgermeister, also für Dominic Juck. Doch stattdessen wird dies höchstwahrscheinlich Daniel Dressel übernehmen. Juck gilt schon seit Anfang März als entschuldigt.