Wichtige Dokumente fehlen im Seßlacher Stadtarchiv 

Warum kein Eintrag im „Goldenen Buch“ ?

Zwischen 1948 und 1983 hat die Stadt Seßlach fünfmal das Ehrenbürgerrecht an verdiente Persönlichkeiten verliehen. Es ist die höchste Auszeichnung, die größte Wertschätzung, die eine Stadt oder Gemeinde nach Artikel 16 der Bayerischen Gemeindeordnung zu vergeben hat.

Schon unter Bürgermeister Martin Mittag (2014 bis 2018) beschloss der Stadtrat im Jahre 2017, diese hohe Ehrung dessen Vorgänger Bürgermeister Hendrik Dressel (1984 bis 2014) zuteil werden zu lassen. Dass dieser Beschluss erst sechs Jahre später, jetzt an Dressels 70. Geburtstag, umgesetzt wurde, geschah wohl nicht immer aus nachvollziehbaren Gründen.

Doch was soll’s! Es war so, es ist so.

Mit der Ehrung des langjährigen Kommunalpolitikers rückte zugleich die Frage in den Mittelpunkt, wer hat vor Hendrik Dressel das Ehrenbürgerrecht zuerkannt bekommen und wurde auf der „ewigen Liste“ eingetragen? War es Dressels Vorgänger Karl Franz, der von 1952 bis 1984 die Geschicke Seßlachs leitete, also noch zwei Jahre länger als sein Nachfolger?

Spurensuche war angesagt. Und die Ratlosigkeit begann. Trotz intensiven Stöberns nach entsprechenden Unterlagen suchte Amtsinhaber Maximilian Neeb, unterstützt von Mitarbeitern, vergeblich nach einem Beleg für das Ehrenbürgerrecht von Karl Franz. Dieser soll, so ein Zwischenergebnis, lediglich mit der „Ehrenmedaille in Gold“ seiner Heimatstadt ausgezeichnet worden sein. Aber Ehrenbürger? Fehlanzeige.

Hendrik Dressels „runder“ Geburtstag rückte näher. Gemeinsam – Stadt und Jubilar – trafen Vorbereitungen für eine kleine Feierstunde, bei der Seßlacher Bier aus Krügen, Sekt aus Gläsern und Mineralwasser aus Flaschen neben einem kleinen Imbiss gereicht werden sollten. Und das an Hendrik Dressels Lieblingsort – in „seinem“ Gemünda.

So war es schließlich auch. Zu der Ehrung erschienen langjährige Weggefährten, der frühere Coburger Landrat Michael Busch, MdL Martin Mittag, ehemalige Stadträte, Kollegen aus der Umgebung, vor allem jene, die mit Dressel vor über 20 Jahren die Initiative Rodachtal gegründet haben. Also jenen Verbund, der seither grenzüberschreitend Projekte fördert und Probleme anpackt, um sie gemeinsam zu lösen.

Im Beisein seiner ehemaligen Kolleginnen Anita Schwarz (Heldburg) und Christine Bardin (Ummerstadt), seiner Kollegen Hermann Lankl (Weitramsdorf) und Horst Gärtner (Straufhain) sowie mehrerer amtierender Bürgermeister oder deren Stellvertreter aus Untermerzbach (Helmut Dietz), Ahorn (Wolfgang Beyer) und Bad Rodach (Rainer Möbus), ließ Hendrik Dressel seine 30-jährige Tätigkeit als Erster Bürgermeister Revue passieren. Wissend, dass die Ehrung für ihn Fragen nach seinem Vorgänger Karl Franz aufwirft, wies Dressel gleich zu Beginn seiner mit Anekdoten gewürzten Rede darauf hin, dass dieser in Anerkennung seiner Verdienste am 26. November 1990 zum Ehrenbürger Seßlachs ernannt wurde. Das gehe aus seinen persönlichen Unterlagen hervor, sagte Dressel.

In den Tagen danach wurde im Rathaus die Suchaktion fortgesetzt. Nicht ganz erfolglos wie im Zeitraum zuvor. Jetzt gibt es in der Verwaltung immerhin den Nachweis Schwarz auf Weiß, dass der Seßlacher Stadtrat am 20. November 1990 mit 14:0 Stimmen beschlossen hat, Karl Franz an seinem 75. Geburtstag am 26. November, also schon sechs Tage nach dem Beschluss, zum Ehrenbürger zu ernennen.

Nunmehr alles in Ordnung? Wohl nicht für korrekt handelnde Beamte. In den politischen Kreisen Seßlachs ist Hendrik Dressel (FW) aber weiterhin der Einzige, der für die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Karl Franz bürgt. Mehrere ehemalige Stadträte können sich überhaupt nicht mehr an den Beschluss am 20. November 1990 erinnern, geschweige an eine Feierstunde.

Zumindest teilweise springt Manfred Eichler (CSU), der dem Seßlacher Stadtrat damals und insgesamt über drei Jahrzehnte angehörte, Hendrik Dressel bei. Eichler verfügt über Zeitungsausschnitte, in denen zumindest einmal das Wort „Ehrenbürgererscheint. Der Text beschreibt vorwiegend die Würdigung des ehemaligen Ersten Bürgermeisters Karl Franz durch die Ortsvereine. Und auf den Fotos ist weder Hendrik Dressel noch sind Stadtratsmitglieder von damals zu erkennen. Manfred Eichler fragt heute rückblickend: Gibt es über die Verleihung des Ehrenbürgerrechts an Karl Franz einen Eintrag im „Goldenen Buch“ der Stadt? Nein, gibt es nicht.

Aber im Rathaus ist „tröpfchenweise“ auch weiteres Material aufgetaucht. Nämlich auch Zeitungsberichte, wie oben erwähnt. Zusätzlich ist jetzt nachzulesen, was Karl Franz seinerzeit dem NP-Redakteur Klaus Schlenk über sein reiches kommunalpolitisches Leben erzählt hat. Seine Amtszeit war geprägt von vielen Baumaßnahmen, wie die Entstehung der Wohnsiedlung vor den Toren des Städtchens in Richtung Hattersdorf und Dietersdorf, dem Bau der Wasserleitung in der Altstadt und der Schule an der alten Stadtmauer. Erinnern kann sich Manfred Eichler an den Festabend, zu dem Karl Franz nach Entgegennahme vieler Geschenke vor seinem Wohnhaus in den „Roten Ochsen“ eingeladen hatte. Ob Stadträte auch dabei waren? Eichler zuckt mit den Schultern.

Im Zuge der Gemeinde- und Kreisreform vergrößerte sich Seßlach zusehends, seither reicht das Stadtgebiet vom ehemals unterfränkischen Heilgersdorf bis nach Autenhausen, das an das thüringische Heldburger Land angrenzt. Schon 1972 war Seßlach vom ehemaligen Landkreis Staffelstein in den Landkreis Coburg eingegliedert worden. Dem Kreistag Staffelstein hatte Karl Franz mehrere Jahre angehört, sein Amtskollege Franz Brückner (Dietersdorf) war lange Zeit stellvertretender Landrat des Kreises Staffelstein.

Das alles ist im Wesentlichen den Zeitungsartikeln zu entnehmen, die Verleihung des Ehrenbürgerrechts an Karl Franz wird nur am Rande erwähnt. Wer verfügt über weitere Unterlagen in seinem Privatarchiv?

Geht die Suche nach entsprechenden Dokumenten im Rathaus weiter? Welche Lehren werden dort aus dem aktuellen Vorgang gezogen? Ob Gemeinde oder Stadt die Archivpflege wird auch anderswo stiefmütterlich behandelt. In Seßlach ist sie zu einer Herausforderung für Ersten Bürgermeister Maximilian Neeb geworden. Für ihn gibt es noch einige Stellen auch außerhalb der Stadt, die zur Gewinnung von Informationen „angezapft“ werden können.

Karl Franz ist 1995 verstorben. Auf seinem Grabstein stehen die Worte: Altbürgermeister – Ehrenbürger.

Horst Mitzel

Siehe auch Seßlachs neuer Ehrenbürger ist Hendrik Dressel

Die Ehrenbürger der Stadt Seẞlach

  1. Konrad Hartig (1864-1948)
    Lehrer und Heimatforscher
    Verleihung 1948
    Hartig kam 1897 nach Seẞlach und war bis 1928 Hauptlehrer an der Volksschule. Er erforschte die Seẞlacher Geschichte und veröffentlichte seine Ergebnisse in einem Buch. Der Platz zwischen Rathaus und Kirche ist nach ihm benannt.
  1. Joseph Otto Kolb (1881-1955)
    Erzbischof von Bamberg
    Verleihung 1948
    Kolb wurde in Seẞlach geboren. Das Geburtshaus (Nr. 74) stand zwischen Gasthof Krone und Bornschlegel und ist 1905 abgebrannt. Er besuchte die Volksschule in Seẞlach bevor er an das Priesterseminar in Bamberg wechselte. Dort wurde er 1935 zum Weihbischof ernannt. Von 1943 bis 1955 war er Erzbischof von Bamberg. Im Seẞlacher Neubaugebiet ist eine Straße nach ihm benannt.
  1. Hans Reiser (1881-1968)
    Heimatpfleger
    Verleihung 1951
    Reiser war lange Jahre Gebietsobmann des Frankenbundes für Oberfranken und setzte sich als Heimatpfleger in starkem Maße für den Erhalt seiner Geburtsstadt ein.
  1. Philomena Ochsenkühn (1894–1990)
    Niederbronner Ordensschwester Verleihung 1983
    Schwester Philomena kam 1960 nach Seßlach und pflegte in der Flenderschen Spitalstiftung alte und schwache Menschen. 1983 verabschiedete sie sich aus Seẞlach und kehrte in ihr Mutterhaus zurück.
  1. Theodard Völkl (1912–1988)
    Niederbronner Ordensschwester Verleihung 1983
    Schwester Theodard kam 1966 nach Seẞlach, wo sie gemeinsam mit Schwester Philomena das Altenheim der Flenderschen Spitalstiftung leitete. Mit ihrer
    Verabschiedung 1983 ging die fast 100-jährige Tradition des Niederbronner Ordens in Seẞlach zu Ende.

Diese Liste wurde uns vor der Ehrung für Hendrik Dressel freundlicherweise von der Stadt Seßlach zur Verfügung gestellt. Auf ihr fehlt (noch) der Name Karl Franz.

Vom Mistgabelstudenten …

Bürgermeister benötigen ein dickes Fell. Was sie sich manchməl so anhören müssen, verdeutlichen zwei Beispiele, die Hendrik Dressel in seiner Rede in Gemünda erwähnte: Michl Münch 1984: „Jetzt haben wir einen Mistgabelstudenten zum Bürgermeister gewählt.“

Als Dressel im April 2014 nach 30-jähriger Tätigkeit an der Spitze Seßlachs aus seinem Amt ausschied, hat ein Seßlacher geäußert: „Jetzt kann die Stadt wieder aufblühen.“