Sie wollen auf Augenhöhe diskutieren und unbequeme Fragen stellen dürfen
Ein Gastbeitrag von Marcel Trost

Als junger Mensch in die Kommunalpolitik einzusteigen, bedeutet zunächst einmal Begeisterung. Man möchte gestalten, Ideen einbringen, Verantwortung übernehmen. Politik vor Ort ist nahbar, direkt und betrifft uns alle unmittelbar. Hier entscheidet sich, wie wir miteinander leben, wie wir unsere Heimat gestalten, wie wir unsere Zukunft anpacken.
Doch mit der Zeit habe ich gemerkt: Engagement allein reicht nicht aus, wenn das Miteinander schleichend schwierig wird. Politik ist Teamarbeit und sollte es auch sein. Ein Mandat trägt man nicht nur für sich, um im Mittelpunkt zu stehen, sondern grundlegend mal für die Wählerinnen und Wähler, die einem ihr Vertrauen geschenkt haben, und für die Gruppierung, die einen trägt. Wer dieses Vertrauen annimmt, trägt Verantwortung – Verantwortung, die weit über persönliche Eitelkeiten hinausgeht.
Diskussionen dürfen sich nicht im Klein-Klein verlieren, sodass nicht mehr die Sache im Mittelpunkt steht oder nur die Frage, wer sich durchsetzt. Kritik wird manchmal nicht als sachlicher und gut gemeinter Beitrag verstanden, sondern als Angriff. Hilfe und Organisation – nicht weil es einer macht, muss man sich darauf ausruhen – sondern sollte sich auch eigenverantwortlich einbringen. Rückhalt und gegenseitige Unterstützung dürfen nicht auf der Strecke bleiben.
Diese Dynamiken führen dazu, dass Freude und Motivation schwinden. Am Ende habe ich mich entschieden, auszusteigen. Nicht, weil ich den Glauben an Politik verloren hätte, wahrlich nicht. Sondern weil ich spürte: Unter manch herrschenden Bedingungen will ich meine Kraft nicht mehr einbringen.
Doch mein Rückzug soll kein Schlussstrich sein, sondern ein Denkanstoß. Denn ich glaube fest daran, dass es auch anders geht – und dass wir gerade jetzt den Mut haben müssen, umzusteuern.
Politik auf Augenhöhe
Wer junge Menschen für Politik begeistern möchte, sollte verstehen: Es reicht nicht, sie nur zu „integrieren“ oder in bestehende Strukturen einzubinden. Junge Menschen wollen ernst genommen werden. Sie wollen auf Augenhöhe diskutieren und nicht das Gefühl haben, dass ihr Beitrag von vornherein weniger zählt, weil ihnen angeblich „die Erfahrung fehlt“.
Erfahrung ist wichtig, keine Frage. Aber sie darf nicht zum Machtargument werden, das andere kleinmacht – also eben nicht mehr auf Augenhöhe zu diskutieren. Junge Menschen bringen neue Perspektiven, frische Ideen und manchmal auch unbequeme Fragen mit – und genau das braucht jede lebendige Demokratie. Nur wenn wir wirklich vor Ort sind, zuhören, erklären, und ernsthaft den Dialog suchen, können wir junge Menschen gewinnen. Politik lebt vom persönlichen Gespräch, von Offenheit und vom Mut, auch andere Sichtweisen auszuhalten. Erfahrung und damit verbundene Ratschläge kommen übrigens von nicht mehr „Aktiven“ anders daher und wirken oft mehr unterstützend.
Verantwortung auch für die „Verdienten“
Gerade diejenigen, die seit vielen Jahren in der Politik aktiv sind, haben hier eine besondere Verantwortung. Natürlich verdienen langjährig Engagierte Respekt für ihre Leistung und ihre Erfahrung. Doch gleichzeitig gilt: Niemand ist unfehlbar. Auch „Verdiente“ müssen bereit sein, ihr Verhalten zu hinterfragen: Trage ich mit meinem Handeln dazu bei, dass junge Menschen sich einbringen können? Niemand hat die „Weisheit mit dem Löffel gefressen“. Helfe ich auch mit oder verschließe ich mich neuen Ideen, weil ich glaube, schon alles zu wissen? So ist es wichtig, im Team auch gemeinsame Ideen zu entwickeln – nicht nur jeder für sich.
Selbstreflexion ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke. Nur wer bereit ist, auch eigene Muster zu durchbrechen, schafft ein Klima, das andere motiviert. So können wir eine politische Kultur fördern, in der die Erfahrung der Älteren und Kreativität der Jüngeren zusammenkommen – zum Wohle aller.
Mut zum Widerspruch – und zur Kompromissfähigkeit
Demokratie bedeutet nicht, dass alle immer einer Meinung sind. Unterschiedliche Haltungen und leidenschaftliche Debatten gehören dazu. Aber entscheidend ist, wie wir mit diesen Unterschieden umgehen. Wir brauchen wieder mehr den Mut, Widerspruch zuzulassen, und gleichzeitig die Bereitschaft, am Ende wieder Kompromisse zu finden.
Wenn wir all das Genannte nicht schaffen, überlassen wir das Feld jenen, die keine Kompromisse mehr wollen. Radikale, die einfache Antworten versprechen, aber keine Lösungen anbieten, gewinnen dort an Boden, wo Menschen das Gefühl haben, dass ihr Engagement nichts bewirkt oder nicht ernst genommen wird. Genau das dürfen und können wir doch eigentlich nicht zulassen?
Blick nach vorn
Mein Wunsch ist, dass wir gemeinsam den Mut finden, umzusteuern. Wir haben es in der Hand. Wir können Räume schaffen, in denen man sich gerne engagiert, in denen Ideen willkommen sind und in denen Respekt selbstverständlich ist. Wir können lernen, sachliche Kritik nicht als Angriff zu verstehen, sondern als Chance. Und wir können begreifen, dass politische Verantwortung immer mehr bedeutet als persönliche Profilierung: Sie ist ein Dienst an der Gemeinschaft.
Wenn uns dieser Wandel gelingt, dann werden wir auch junge Menschen wieder mehr für Politik und Ehrenamt begeistern. Dann wird Politik nicht als Last erlebt, sondern als Möglichkeit, Zukunft zu gestalten. Und nur so machen wir Politik zu dem, was sie sein sollte: eine gemeinsame Aufgabe, die uns verbindet und weiterbringt.
Marcel Trost gehörte mehrere Jahre dem Gemeinderat der Gemeinde Ahorn (Landkreis Coburg) an. Er galt als ein Hoffnungsträger der CSU. Doch zunächst gab er das Amt des Vorsitzenden der CSU-Fraktion im Gemeinderat auf, dann zog er sich aus dem Gremium vollständig zurück.