Die große Geheimniskrämerei
„Es wächst zusammen, was zusammen gehört.“ Von wegen. Das Ende von Regiomed, dem einst stolzen länderübergreifenden Klinikkonzern zwischen Rennsteig und Main, spricht eine andere Sprache. Von „Chaos“ und „Scheiterhaufen“ ist die Rede, längst aber nicht mehr von einem „Leuchtturm“.
Problemlos ging’s bei Regiomed nie zu. Vor mehr als zehn Jahren machte die (teure) Trennung von der Hauptgeschäftsführerin erste Schlagzeilen. Für weitere sorgte ihr Nachfolger, dem bald Größenwahn vorgeworfen wurde, weil er ein Projekt nach dem anderen ins Gespräch brachte und Geld dafür in den Sand setzte. Ist es ihm dann in seinem hoch dotierten Sessel zu heiß geworden, weil er innerhalb kürzester Zeit von dannen zog?
Als der nächste Verantwortliche die Finanzen unter die Lupe nahm und ein immer größer werdendes Millionenloch dokumentierte, war das Geschrei in Stadt und Land groß. Still dagegen blieben die Leute, die eigentlich Aufsicht hätten üben sollen. Diese sogenannten „Aufsichtsräte“ hatten, wie man längst weiß, versagt. Nie ist aber die Nachricht an die Öffentlichkeit gelangt, dass sie Versäumnisse eingestanden hätten. Wurden sie je zur Rechenschaft gezogen?
Währenddessen gab es in der Geschäftsführung von Regiomed weitere persönliche Wechsel. Corona hielt, so verrückt dies klingen mag, mit seiner finanziellen Hilfe aus Berlin, Regiomed am Leben.
Als die Mittel des Bundes eingestellt wurden, zog der Pleitegeier immer nähere Kreise. Zuletzt soll ein Defizit in Höhe von 25 Millionen Euro zu Buche geschlagen haben. Der Hauptanteil soll auf das Coburger Klinikum entfallen.
Und hier heißt es SOLL. Einfach deshalb, weil die Verantwortlichen mauern. In ihrer Hilflosigkeit werben sie lediglich um Verständnis, dass die Angelegenheit vertraulich behandelt werden müsse. Die kleineren Partner, also die Landkreise Lichtenfels, Hildburghausen und Sonneberg, sind „auf Coburg“ sauer. Warum? Wieder Schweigen. Eisernes Schweigen! Hüben wie drüben.
Nur vereinzelt lassen sich Eingeweihte ein paar Worte entlocken. Vor allem auf Coburger Seite. Viele konstruktive Vorschläge für ein weiteres Miteinander vom Marktplatz oder der Lauterer Höhe in Coburg seien vom Trio LIF-HBN-SON abgelehnt worden. So sei am Schluss der Konkurs unvermeidlich gewesen. Wirklich?
Und nun? Die Bayern und Thüringer gehen in Zukunft getrennte Wege. Stadtrat und Kreistag Coburg haben sich jeweils mehrheitlich dafür entschieden, konkret: Stadtrat 25:16, Kreistag 38:17 Stimmen für privaten Träger. Damit ist der Weg für Sana geebnet, einer der Interessenten, der zugleich auch die Verantwortung für das Klinikum Lichtenfels übernehmen will. Auch der dortige Kreistag gab dafür „Grünes Licht“.
Was würden die Landräte Karl Zeitler (Coburg) und Reinhard Leutner (Lichtenfels) dazu sagen? Sie waren zwei der fünf Gründungsväter von Regiomed. (Neben OB Norbert Kastner, Coburg, und Landrat Rainer Sesselmann, Sonneberg sowie Thomas Müller, Hildburghausen. Noch in der Gründerzeit folgte Christine Zitzmann Rainer Sesselmann). Von Karl Zeitler ist bekannt, dass er mit Nachdruck die Meinung vertrat, Krankenhauswesen und Wasserversorgung müssten immer in öffentlicher Hand bleiben. Ähnliches ist von Reinhard Leutner bekannt.
Gewiss, die Zeiten ändern sind sich. Was aber die derzeitige Situation belastet, ist die Geheimniskrämerei der Mandatsträger. Warum wurde (fast) alles, was die Zukunft der Krankenhausversorgung in der Region betrifft, vorwiegend im stillen Kämmerlein beraten und entschieden? Warum sind der Coburger OB und der Landrat nicht einmal vor ihre Bürgerinnen und Bürger getreten und haben sie persönlich über ihre eigenen Standpunkte unterrichtet? Hatten sie keine eigenen Konzepte?
Beide, Dominik Sauerteig und Sebastian Straubel, könnten von ihrem Kollegen, dem neu gewählten Landrat des Landkreises Hildburghausen, Sven Gregor, einiges lernen. Kaum im Amt, trat er vor die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krankenhauses in der Kreisstadt und versicherte ihnen, für die „kommunale Trägerschaft“ der Einrichtung zu kämpfen. Am 15. August ist der Kreistag ihm gefolgt. Dies gilt für das Kiinikum Hildburghausen, die Reha-Klinik Masserberg und das Ambulante Zentrum Henneberger Land.
Dem Landkreis Hildburghausen geht es finanziell nicht besser als den Nachbarn Stadt und Landkreis Coburg. Ob Hildburghausen sein Ziel erreicht, wird sich zeigen. Aber die Offenheit gegenüber Ärzten und Pflegekräften ist ein ebenso wichtiges wie wertvolles Fundament für den gemeinsamen Schritt in die Zukunft.
Ganz andere Zukunftsgedanken hatten manche Stadt- und Kreisräte auf Coburger Seite. Hinter vorgehaltener Hand gesteht jetzt, nach gewissem Abstand, der eine oder andere, dass er aus „bestimmten Gründen“ gegen eine weitere kommunale Trägerschaft des Klinikums gestimmt habe. Wie wäre es ihnen wohl ergangen zu deren Worte, wenn sie zum Beispiel im nächsten Jahr für ihre Vereine oder ähnliche Organisationen um einen Zuschuss auf Stadt- oder Kreisebene gebeten hätten? „Du bist mit dafür verantwortlich, dass der Landkreis (oder: die Stadt) weiterhin das Klinikum finanzieren muss, also den Klotz am Bein hat, nichts gibt es für deinen Verein…“. So und ähnlich wäre es wohl gewesen.
Ja, Stadt und Landkreis Coburg müssen sparen. Wann aber sparen die betreffenden Politiker bei sich selbst? Interessant wäre zum Beispiel Auskunft darüber zu erhalten, welche Kosten Stadt und Landkreis Coburg mit den Sondersitzungen zum Thema „Regiomed“ entstanden sind. Und wie viel Geld ist für die Gutachten aufzubringen, die den Weg von der Insolvenz zum Neuanfang weisen sollen?
Siehe auch Interview mit MdL Martin Mittag