War Ihr Rat gefragt, Herr Mittag?
Herr Mittag, Stadtrat und Kreistag Coburg haben beschlossen, ihre Verantwortung für das Klinikum in der Veste-Stadt und für das in Neustadt bei Coburg einem privaten Träger zu übertragen. Sie haben im Kreistag dagegen gestimmt. Warum?
Mittag: Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die kommunale Hand besser auf Situationen und Gegebenheiten der medizinischen Versorgung vor Ort eingehen kann. Weiterhin müssen innerhalb der kommunalen Trägerschaft Gewinnerzielungsabsichten nicht grundsätzlich im Vordergrund stehen. Grundsätzlich liegt der Sicherstellungsauftrag allgemein in kommunaler Hand. Gleichwohl respektiere ich natürlich die Entscheidung der Gremien.
Wenn Sie „nach bestem Wissen und Gewissen“ Ihre Stimme abgegeben haben, stellt sich eine weitere Frage: Fühlten Sie sich nach etlichen Sitzungen ausreichend informiert? Es gibt Stadt- und Kreisräte, die jetzt, also einige Wochen nach der Abstimmung, offen einräumen, „manches bis heute nicht zu verstehen …“
Mittag: Ich kann für mich sprechen und sagen, dass ich mit der Informationslage zufrieden war. Ich habe dazu auch den Austausch mit Krankenhausverantwortlichen gesucht, die bereits einen solchen Wechsel von kommunaler in private Trägerschaft vollzogen haben – leider ist ein solcher Wechsel der Trägerschaft für Häuser in vielen Teilen der Bundesrepublik keine Seltenheit. Auf Bundesebene fehlt hier die Bereitschaft diesem Trend etwas entgegenzusetzen, was ich höchst kritisch sehe. Grundsätzlich gab es für alle Stadt- und Kreisräte mehrere Informationsveranstaltungen, wo offene Fragen geklärt werden konnten.
Sie gehören dem Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Prävention des Bayerischen Landtags an. Warum konnten Sie mit Ihrem „Nein“ zur Privatisierung des Krankenhauswesens im Coburger Raum Ihren Parteifreund Landrat Sebastian Straubel und mindestens neun weitere Mitglieder der CSU-Kreistagsfraktion nicht überzeugen, Ihnen zu folgen?
Mittag: Vorausschicken möchte ich, dass diese Entscheidung wohl für kein Ratsmitglied eine leichte war. Jedes Mitglied hat nach bestem Wissen und Gewissen entschieden. Sowohl bei einer kommunalen als auch bei einer privaten Trägerschaft gibt es Vor- und Nachteile. Hier musste jeder seine eigene Gewichtung finden und für sich selbst abwägen.
Von den 38 Stimmen pro Privatisierung im Kreistag entfallen zehn auf die CSU (Fraktion und Landrat Sebastian Straubel), nur sieben (von insgesamt 17) auf Fortführung kommunaler Trägerschaft. Im Coburger Stadtrat war es genau anders: Vier Stimmen für private Trägerschaft, sechs dagegen. War in beiden Fraktionen Ihr Rat als Gesundheitspolitiker gefragt?
Mittag: Ähnlich wie bei der Frage zuvor kann ich sagen, dass jedes Mitglied seine Entscheidung für sich selbst treffen konnte. Natürlich fand auch in unserer Fraktion ein reger Austausch statt und wir haben das Für und Wider intensiv diskutiert. Gleiches gilt für die Stadtratsfraktion.
Der kommunale Konzern Regiomed – Stadt Coburg, Landkreise Coburg, Lichtenfels, Hildburghausen und Sonneberg – war das Werk von Kommunalpolitikern, die einst die Region geprägt haben: Landrat Karl Zeitler und Oberbürgermeister Norbert Kastner (beide SPD, Coburg) sowie Reinhard Leutner (CSU, Lichtenfels). Dieses Trio ergänzten die Landräte Thomas Müller (CDU, Hildburghausen) und Rainer Sesselmann (SPD, Sonneberg). Alle sind nicht mehr politisch aktiv, zum Teil sind sogar schon ihre Nachfolger im Ruhestand. Was die Genannten aufgebaut haben, gleicht jetzt einem Scherbenhaufen. Vergleichbar erscheint das Nachbarschaftsverhältnis auf kommunaler Ebene. Tauschen Sie sich als CSU-Kreisvorsitzender darüber mit Ihren Unionskolleginnen und -kollegen in den Landkreisen Lichtenfels, Sonneberg und Hildburghausen aus?
Mittag: Der Raum Coburg/Lichtenfels und unsere Südthüringer Nachbarn bilden eine Region – das ist nicht erst seit der Entstehung von REGIOMED so. Berufspendler, gemeinsame wirtschaftliche Projekte und soziale Initiativen gehören seit jeher zur Zusammenarbeit aller Beteiligten. Natürlich tauscht man sich in diesen Punkten aus. Einen „Scherbenhaufen auf kommunaler Ebene“ kann ich nicht erkennen. Besonders im ländlichen Raum können viele unserer Arbeitsschwerpunkte nur gelingen, wenn wir gemeinsam als Region auftreten.
Mit Martin Mittag sprach Horst Mitzel
Siehe auch Tagebuch: Die große Geheimniskrämerei