Familienstartzeitgesetz: Pro und Contra

Nächster Schlag gegen Unternehmen

„Unsere Regierung zockt uns Unternehmer nur noch ab“. So schreibt ein Unternehmer in der derzeit laufenden Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen. Mit dem neuen Familienstartzeitgesetz wurde gerade die nächste Maßnahme auf den Weg gebracht. Hiernach erhält der Lebenspartner der Mutter zehn Tage Sonderurlaub nach der Entbindung – bei vollem Lohnausgleich, finanziert durch die Gemeinschaft der Arbeitgeber. Die IHK Südthüringen sieht die Förderung von Familien als eine wichtige Aufgabe, allerdings der gesamten Gesellschaft und nicht der Unternehmer alleine.

Hehre Ziele formulieren die Referenten des Bundesfamilienministeriums in dem Gesetzentwurf, der sich gerade in der Ressortabstimmung befindet. Der Wunsch nach einer partnerschaftlichen Aufgabenteilung im Sinne einer gleichgewichtigeren Teilung von Familien- und Erwerbsarbeit sei in den Familien hoch. Daher müssten die rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst werden, um Eltern frühzeitig eine partnerschaftliche Aufgabenteilung zu ermöglichen.

„Angesichts der alternden Gesellschaft ist die Förderung von Familien ein wichtiger Baustein für die Gewinnung zukünftiger Arbeitskräfte und Unternehmer. Unverständlich ist jedoch, warum diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe von den Unternehmen gestemmt werden soll. Wenn alle davon profitieren, muss der Staat die Leistung finanzieren“, sagt Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen.

Im Referentenentwurf wird eine andere Rechnung aufgemacht. Nicht das betroffene Unternehmen zahle die Lohnfortzahlung, sondern sie werde aus der gemeinsamen Umlage aller Arbeitgeber für den Mutterschutz finanziert. Allerdings sind es die Unternehmen, die in diese Umlage einzahlen. Wenn sich deren Leistungen erhöhen, ist absehbar, dass in gleichem Umfang die Abgabenbelastung der Unternehmen steigt.

Schadensersatz für Arbeitgeber aufgrund Mehrbelastung mitbedenken

Die zusätzliche Belastung gerade kleiner und mittlerer Unternehmen durch zusätzliche Arbeitsausfälle wird im Referentenentwurf der Bundesregierung nicht einmal thematisiert. Der Personalmangel ist jedoch bereits heute so real, dass in Südthüringen vier von zehn Unternehmen die ganz normalen Krankheitstage der Mitarbeiter als Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung bewerten. Zu dünn ist vielerorts die Personalsituation der Unternehmen. Fehlende Mitarbeiter bedeuten für sie Ausfälle von Produktion und Dienstleistungen. „Gesetzlich angeordnete Arbeitsausfälle sind den Unternehmen zu ersetzen. Ohne umfassenden Schadensersatz für Umsatzverluste darf dieser Referentenentwurf nicht Gesetz werden“, fordert Dr. Pieterwas.

„Schlag ins Gesicht vieler Eltern“

Den Äußerungen von Dr. Ralf Pieterwas von der IHK Südthüringen, ein Gesetz zur Einführung einer Familienstartzeit würde die Wirtschaft neben Inflation und gestiegener Energiepreise zusätzlich belasten und mit der Elternzeit sei für Familien genug getan, begegnet die familien- und wirtschaftspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Diana Lehmann, mit scharfer Kritik:

„Die Aussagen von IHK-Chef Dr. Ralf Pieterwas sind zynisch, unverschämt und ein Schlag ins Gesicht aller Familien im Freistaat, die vor allem in den letzten drei Jahren einer enorm hohen Belastung ausgesetzt waren. Statt Familien zu entlasten und ihnen moderne Lebensarbeitszeitmodelle anzubieten, spricht die IHK Südthüringen Eltern den viel und immer wieder geäußerten Wunsch nach einer gleichberechtigten Aufgabenteilung ab. Wir kennen diese Rückwärtsgewandtheit ja bereits von der Erhöhung des Mindestlohns. Auch da prophezeite man den Untergang der Thüringer Wirtschaft. Das ist nicht passiert und wird auch bei einer Einführung der Familienstartzeit nicht passieren. Im Gegenteil, wir müssen uns ernsthaft darüber Gedanken machen, wie wir Fachkräfte ins Land bekommen. Wenn wir ihnen und ihren Familien dafür sehr gute Bedingungen bieten – und dazu gehört im Jahr 2023 nun mal auch ein ausgewogenes Lebensarbeitszeitmodell – dann sind die Chancen, dass diese Menschen kommen und auch im Freistaat bleiben, deutlich höher.“

„Wir wollen das Thüringen familienfreundlichstes Bundesland wird – dass gute Arbeitsbedingungen vorherrschen, ist dafür essenziell“, so Lehmann.