Freie Wähler legen Finger in die Wunde

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Freie Wähler legen Finger in die Wunde

Kreistag Hildburghausen verweigert dem Regiomed-Aufsichtsrat Entlastung

Da hat sich einer endlich einmal Unterlagen von Regiomed, dem grenzüberschreitenden Klinikkonzern der Landkreise Coburg, Hildburghausen, Lichtenfels und Sonneberg plus Stadt Coburg, genauer angesehen und „Halt!“ gerufen: Sven Gregor, Vorsitzender der Fraktion Freie Wähler im Kreistag Hildburghausen. Auf eindeutige Fragen will der Kommunalpolitiker ebenso glasklare Antworten haben.

Das ist noch nicht alles! Der Kreistag Hildburghausen hat dem Aufsichtsrat von Regiomed für das Geschäftsjahr 2021 keine Entlastung erteilt Das darf wohl als Beleg für gestiegenes Misstrauen gewertet werden – oder gibt es Widerspruch? Wir sind auf Empfang.

Eigentlich hatte sich der Kreistag mit Landrat Thomas Müller (CDU) zu abendlicher Stunde getroffen, um vor allem dem in Finanznot steckenden Klinikkonzern Millionen Euro frisches Geld zuzuschießen. Doch daraus wurde es (zunächst?) nichts, weil das Landesverwaltungsamt (vergleichbar etwa mit der Regierung von Oberfranken) für den darauffolgenden Tag die Landräte aus Hildburghausen und Sonneberg nach Weimar gerufen hatte, um Informationen über die prekäre Situation zu bekommen. Die Initiative für die Gesprächsrunde soll aus Südthüringen gekommen sein, Hildburghausen war es wohl nicht.

Da aber noch andere Themen – Regiomed betreffend – auf der Tagesordnung der Kreistagssitzung standen, verlor diese nicht an Brisanz. Sven Gregor, der auch Bürgermeister der Stadt Eisfeld ist, beeindruckt seit Jahren durch seine wache Aufmerksamkeit auf der kommunalen Bühne.

Sein Fragenkatalog, den er in der Kreistagssitzung präsentierte, hätte genauso in weiten Teilen auf der bayerischen Seite entlang der Ufer von Itz und Roter Main formuliert und vorgelegt werden können. Also im Aufsichtsrat selbst, dem Landräte und Oberbürgermeister neben (selbsternannten?) Fachkräften angehören.

Was also wollen die Freien Wähler (zweitstärkste Fraktion im Kreistag Hildburghausen) wissen? Sven Gregor hat seine Fragen zunächst mündlich vorgetragen und unterdessen schriftlich nachgereicht, wie die Pressestelle des Landratsamtes Hildburghausen mitteilte. Die Behörde hat die Fragen wiederum an die Geschäftsführung von Regiomed zur Erledigung weitergeleitet. Dort brüten jetzt Hauptgeschäftsführer Michael Musick, der im Oktober den „Staffelstab“ für den vorzeitig „Reißaus“ genommenen Alexander Schmidtke übernommen hat, und sein Team über den Antworten.

Beim Studium des Jahresabschlusses 2021 ist den kritischen Kreisräten um Sven Gregor aufgefallen, dass unter „sonstigen betrieblichen Aufwendungen“ 3,3 Millionen Euro als Beratungskosten ausgewiesen sind. Sven Gregor: „Um welche Beratungskosten handelt es sich hier?“

Ebenfalls im Bereich „Jahresabschluss“ erscheint den Freien Wählern unter dem Punkt „Ertragslage“ die Auflösung von Rückstellungen in Höhe von 1,14 Millionen Euro diskussionswürdig. Deshalb wollen sie wissen, um welche Rückstellungen im Detail es sich dabei handelt.

Zum Konzernabschluss des Berichtsjahres werden fünf Fragen vorgelegt. An vorderster Stelle wird um „nähere Erläuterung zu periodenfremden Erträgen“ gebeten. In dem Bericht wird ausgeführt, dass in diesen Erträgen 10,6 Millionen enthalten sind, die sich aus 4,3 Millionen Euro (Auflösung von Rückstellungen) und 6,3 Millionen Euro (Kostenerstattungen) ergeben.

„Übrige Erträge“ werden in dem Konzernabschluss mit 37,0 Millionen Euro beschrieben. „Das sind“, so Gregor, „14,0 Millionen Euro mehr als 2020“. Es fällt auf, dass im Detail 5,6 Millionen Euro als Erträge genannt werden. Worum geht es da?

Weitere Fragen: Welche Hinweise sind gemeint, die in den Bereichen Personal sowie Finanz- und Rechnungswesen von der Stabsstelle bei einer internen Revisionsprüfung genannt worden sind? Die Formulierung hierüber erscheint den Freien Wählern als nicht konkret genug.

Wir zitieren (bei geringfügigen Veränderungen aus redaktionellen Gründen): „Die interne Revision des Regiomedverbundes hat im Februar 2021 die Aufgabe der Überwachung der Umsetzung von Empfehlungen aus dem Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young vom 25. August 2020 übernommen. Welche Inhalte hat deren Bericht?

Nächste Frage: „… wird die Eigenkapitalausstattung im Konzern beschrieben, unter anderem sollen mögliche Finanzierungsprobleme durch die Cash Pooling Vereinbarungen zwischen den Konzerngesellschaftern gelöst werden.“ Kann die Cash Pooling Vereinbarung näher beschrieben werden?

Das Jahresergebnis 2021 wäre bei Regiomed von einmaligen Vorgängen geprägt und „die Ausgleichszahlungen haben erheblich zum Ergebnis beigetragen“, konstatieren die Freien Wähler ebenfalls in ihrer Anfrage. Deshalb wollen sie wissen, wie diese „einmaligen Effekte“ in den nächsten Jahren abgefedert werden können.

Dann bitten die FW im Rahmen der „Abschätzung der aktuellen Entwicklung des Konzerns“ um Vorlage eines Berichtes über das dritte Quartal 2022.

Einem Blick nach vorn kommt die letzte Frage gleich: Wie nachhaltig soll die geplante Eigenkapitalerhöhung in Höhe von 20 Millionen Euro wirken? Sind für die Folgejahre weitere Eigenkapitalstärkungen geplant oder auch notwendig?

Vor allem die letzte Frage ist für alle Verantwortlichen von großer Bedeutung. Allein, dass sie gestellt wird, verrät die große Skepsis über die Zukunft des Klinikkonzerns in seiner jetzigen Konstellation.

Übrigens: Die Entlastung des Aufsichtsrates von Regiomed haben zwölf Kreisräte in Hildburghausen verweigert. Ihnen standen acht Ja-Stimmen und zehn Enthaltungen gegenüber. Da Landrat Thomas Müller und Kreisrat Klaus Brodführer dem Regiomed-Aufsichtsrat angehören, durften sie an der Abstimmung nicht teilnehmen.

Anders war es bei der Entlastung der Geschäftsführung: Mit 15 Ja-, bei 9 Nein-Stimmen und 8 Enthaltungen, wurde der Vorlage zugestimmt. Auch mit den Stimmen von Thomas Müller und Klaus Brodführer. Neun Kreisräte haben in der Sitzung gefehlt.

Mag die Zukunft der Regiomed-Kliniken GmbH in politischen Kreisen umstritten sein, ihre Befürworter haben in der Kreistagssitzung in Hildburghausen Rückendeckung bekommen. Nach den Worten des Sparkassen-Vorstandes Norbert Natterer, so war in der Tageszeitung „Freies Wort“ zu lesen, erweise sich dieser Verbund als erfolgreich.

In dem Beitrag wird der Bänker wie folgt zitiert: „Als Bank haben wir einige Berührungspunkte mit Regiomed und beobachten die Entwicklung. Der Konzern ist auf einem guten Weg. Trotz widrigster Bedingungen überall in der Krankenhauslandschaft leistet Regiomed gute Arbeit, die zuversichtlich stimmt. Es wird kein kommunales Krankenhaus zum Nulltarif geben. Dessen muss man sich bewusst sein. Ziel sollte sein, den Bedarf an Zuschüssen zu minimieren. Man sollte auch aufpassen, dass die Leute der Geschäftsführung nicht irgendwann die Lust an ihrem Einsatz verlieren‘, sagte der Finanzexperte“.

Seither wird unter den Mitgliedern des Kreistages gerätselt, was Norbert Natterer zu seinen Ausführungen veranlasst hat. Wir legten ihm diese Frage vor. O-Ton Natterer: „Herr Hauptgeschäftsführer Musick war wegen verschiedener Tagesordnungspunkte des Klinikverbundes in der Kreistagssitzung und zwar zeitlich vor dem Tagesordnungspunkt, der die Sparkasse Hildburghausen betraf.

Aufgrund der vielfältigen Fragen aus dem Gremium an Herrn Musick im Anschluss an seine Ausführungen zum Zahlenwerk des Konzerns, hatte ich als Zuhörer den Eindruck gewonnen, dass es sinnvoll und möglicherweise sachdienlich sein könnte, aus Sicht eines beteiligten Institutes etwas zu unserer Wahrnehmung des Fortganges bezüglich der Anstrengungen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation zu sagen. Bevor Herr Musick die Sitzung verlies, habe ich sein Einverständnis dazu mit Blick auf das Bankgeheimnis mündlich eingeholt. Meine Ausführungen erfolgten ausschließlich aus eigenem Antrieb. Niemand hat mich um eine entsprechende Äußerung gebeten.“