
Geldsegen für Abriss und Party in Bad Rodach
Pestalozzischule fällt Spitzhacke zum Opfer
Man mag darüber streiten, ob der Veranstaltungskalender in Erholungs- und Kurorten da und dort manchmal mehr Freizeitangebote für Feriengäste enthalten sollte. Das gilt auch für Bad Rodach, wo das Jahresprogramm der Touristik-Information vor allem nur von Wanderungen durch die Umgebung geprägt ist.
Es wäre an der Schwelle zum 50-jährigen Bestehen der Therme Natur (Juni 2026) eine längst überfällige Aufgabe für die Verantwortlichen im Rathaus, einmal selbstkritisch zu prüfen, ob der von Feriengästen im Zentrum erhobene Kurbeitrag in Höhe von 2,50 Euro pro Tag (bei einem Aufenthalt in den Stadtteilen werden täglich 2.- Euro fällig) gerechtfertigt ist. Interessant wäre dann auch zu erfahren, ob Bürgermeister und Stadträte bei der Beratung dieser Angelegenheit ihre Gesichtsfarbe von blass zu rot wechseln.
Dass Bad Rodach vor allem in den Sommermonaten mit einem Veranstaltungsreigen zeitweise begeistert, ist wiederum fast ohne Ausnahme nur dem Engagement etlicher Vereine zu verdanken. Sie hätten es deshalb verdient, dass die Damen und Herren des „hohen Rates“ mehr als nur in diesen wieder beginnenden Wahlkampfzeiten ihrer Arbeit wohlwollende Aufmerksamkeit widmen würden.
Nun gab es in Bad Rodach jetzt eine Veranstaltung, die von der Stadt initiiert wurde und rund 800 Besucherinnen und Besucher anlockte. Mit dem schon reißerisch wirkenden Wort „Abrissparty“ war sie überschrieben. Es kamen nicht nur Bürgerinnen und Bürger des Städtchens, sicherlich auch etliche aus den Nachbardörfern und darüber hinaus. Sie feierten an alter vertrauter Stätte, wo sie einmal Lesen, Schreiben und Rechnen gelernt hatten – in der vor über 60 Jahren errichteten Pestalozzischule. Das Gebäude war nach den Plänen des ehemaligen Architekten Heinz Liebermann (Coburg) entstanden. In seinem Aussehen hatte es viele „Geschwister“ in der heimischen Schullandschaft.

Eine Augenweide war die von großen Glasfenstern dominierende Unterrichtsstätte zwischen der alten Rückertschule und der Schloßschule (heute „Haus des Gastes“-Jagdschloss) nie. Aber damals, also vor mehr als sechs Jahrzehnten, war es ein wichtiger Zweckbau. Die einklassigen Dorfschulen, also Zwergschulen, wurden in Bayern aufgelöst, Schulverbände gegründet, Schulbuslinien geschaffen – (Bad) Rodach wurde zwischen Roßfeld und den Dörfern auf den Langen Bergen zu einem Schulzentrum.
Die Turnhalle in unmittelbarer Nachbarschaft zu den drei Schulgebäuden war schon einige Jahre zuvor errichtet worden, jetzt trägt sie nach Sanierung und Umbau seit bald 15 Jahren den Namen Gerold-Strobel-Halle.
Als die Pestalozzischule im März 1963 eingeweiht wurde, hieß der Coburger Landrat Rudolf Kaemmerer, der (Bad) Rodacher Bürgermeister Kurt Hofmann. Dem Stadtrat gehörten unter anderen Gustav Höhn, Hermann Stößlein (SPD) sowie Kurt Großmann und Walter Ohland (Bürgerliche Gemeinschaftsliste) an. Gefeiert wurde in der Turnhalle. Das Festmahl kam aus Coburg, gekocht und serviert von einem Team um den unvergessenen Hotelier Paul Henzel („Goldene Traube“). Es gab Hirschbraten und Coburger Klöße. Nur wenige Jahre später war ein neuer Schulbau nötig, die heutige Grund- und Mittelschule „Am Stiegelein“, nebst „Bayernhalle“ (1970: 50 Jahre Anschluss des Coburger Landes an Bayern). Für Letztere hatte sich vor allem der seit 1964 amtierende Landrat Dr. Klaus Groebe (SPD) leidenschaftlich eingesetzt.
Jetzt also fällt die Pestalozzischule der Spitzhacke zum Opfer. Jahrelang war dieses Vorhaben in der Diskussion. Für deren Erhalt und Weiternutzung traten nur wenige ein.
Dass die Schule nun aus dem Stadtbild verschwindet, war vor allem Erstem Bürgermeister Tobias Ehrlicher (SPD) ein großes Anliegen. Und es wirft Fragen auf. Ein solcher Abriss kostet Geld, viel Geld. Bad Rodach hat aber keines, das ist seit etlichen Jahren zu hören, in den letzten öfters als früher. Das Projekt „Pestalozzischule“ wird stark gefördert, heißt es zur Beschwichtigung. Haben auch Bund und Land in der heutigen Zeit noch Geld für den Abriss einer Schule, die – wer widerspricht? – jahrelang vernachlässigt wurde, um diese Frage auf sachlicher Ebene vorzutragen?
Mehr noch: Die Pestalozzischule wurde seinerzeit errichtet, als die Stadt im „toten Winkel“ lag, wie Rodach in einer Denkschrift des Landkreises Coburg ob seiner Lage an der Zonengrenze bezeichnet wurde und – so wie heute – nicht auf Rosen gebettet war. Der Schulneubeu musste und wurde seinerzeit mit finanziellen Mitteln gefördert, wohl auch mit Grenzlandmitteln. Es waren damals wie heute Steuergelder. Vor über 60 Jahren für einen notwendigen Neubau, im Jahre 2025 für dessen Abriss. Passt solches Vorgehen noch in eine Zeit, in der das Geld an allen Ecken und Enden fehlt? In der es für Straßen, Brücken, Krankenhäuser und Altenpflege nicht reicht.
Die 800 Menschen, die zur Abrissparty kamen, um Erinnerungen aufzufrischen, Wiedersehen zu feiern und viel Spaß bei Musik etc. hatten, mögen möglicherweise aufkommende Gedanken über die damit verbundenen Kosten verdrängt haben.
Bemerkenswert ist aber nicht zuletzt, dass sich für die Abrissparty sogar Sponsoren aus der heimischen Wirtschaft fanden. Auch solche, die in ihren Dienstleistungen in den letzten Jahren oftmals den Rotstift ansetzten, was bei dem „kleinen Mann auf der Straße“ Verdruss und Ärger hervorrief.
Die Pestalozzischule gehört nun der Geschichte an. Die letzten Stunden in ihren Mauern wird noch einige Zeit vielen in Erinnerung bleiben. Was der Schule zwischen den beiden historischen Gebäuden (Rückertschule und „Haus des Gastes“) folgt, steht in den Sternen. Wer hat anderes erwartet?
Umso mehr ist zu fordern, dass in Rathäusern, Landratsämtern, bei der Regierung von Oberfranken, in Ministerien und nicht zuletzt in den Parlamenten ein Umdenken bei der Verwendung von Steuergeldern erfolgt.
Welche Politikerin oder welcher Politiker hat den Mut, für eine Kehrtwende hin zur finanziellen Nachhaltigkeit die Initiative zu ergreifen?