Krankenhauskonzern braucht medizinischen Geschäftsführer
Herr Lücke, in unserer September-Ausgabe hat die CDU-Landtagsabgeordnete Beate Meißner (Sonneberg) die Forderung nach „gleichem Lohn für gleiche Arbeit“ bei Regiomed angemahnt. Was sagen Sie als Betriebsratsvorsitzender des Klinikums Coburg dazu?
Lücke: Es freut mich, dass Frau Meißner die Forderung nach „gleichem Lohn für gleiche Arbeit“ unterstützt. Dabei lässt sie allerdings offen, auf welches Lohnniveau sie dabei abzielt. Meint sie die gewerkschaftlich abgesicherten Tarifverträge „TVöD“ der Gewerkschaft Ver.di und „TV Ärzte / VKA“ des Marburger Bundes ? Diesen Weg hat seinerzeit die schwarz-rote Bundesregierung beschritten und Jens Spahn als Gesundheitsminister begonnen – aber nur in der Umsetzung des Pflegebudgets für die deutschen Krankenhäuser: hier wurde der Tarifvertrag TVöD gesetzlich zur „Leitwährung“ für die Pflegekräfte in Krankenhäusern etabliert, wovon alle bis dahin nicht tarifgebundenen Beschäftigten profitiert haben. Soweit sie denn Pflegekräfte waren. Weiter ist die CDU / CSU bisher nie gegangen, schon gar nicht in der REGIOMED, wo CDU und CSU in Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat seit Gründung der REGIOMED die Mehrheit haben. Insofern ist die jetzt von Beate Meißner wieder aufgewärmte Frage nach „Lohngerechtigkeit“ nicht aufrichtig: Gestaltungsmöglichkeiten bestanden seit Anbeginn der REGIOMED, sie wurden aber von Frau Meißners Parteifreunden nie vollständig angefasst.
Haben nur die Beschäftigten der Klinikum Coburg GmbH in REGIOMED Tarifverträge?
Lücke: Ja und nein. Ja, im Klinikum Coburg besteht eine volle Mitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband, wie in den Landratsämtern und Gemeindeverwaltungen in unsere Region übrigens auch. Das bedeutet, dass unsere kommunalen Träger in ihren Ämtern die Beschäftigten tarifgebunden (mit allen Nebenleistungen wie der Zusatzversorgung) bezahlen, in REGIOMED aber nicht. In den letzten Jahren haben sich die Ärztinnen und Ärzte in Haus- Tarifverhandlungen mit dem Marburger Bund Thüringen für die Henneberg- Kliniken in Hildburghausen ihre Tarifbindung erkämpft und wurden vor wenigen Jahren komplett in den TV Ärzte / VKA zusammengeführt. Das Beispiel zeigt: Tarifverträge können auch in REGIOMED erkämpft werden. Das tun Gewerkschaften für ihre Mitglieder. Die anderen Standorte und Gesellschaften im Konzern der REGIOMED haben allerdings keine echte Tarifbindung, sondern lehnen sich nur an die bestehenden Tarifwerke an, hierbei auch ohne Vollständigkeit. So fehlt oft die tarifliche Jahressonderzahlung, die wir früher „Weihnachtsgeld“ nannten. Auch in vielen individuellen Verträgen, zum Beispiel in der REGIOMED- Muttergesellschaft, der REGIOMED Service GmbH oder den MVZs im Konzern der REGIOMED, wurde und wird „Entlohnung für Arbeit“ fest vereinbart, allerdings viel zu häufig ohne eine verbriefte Anpassung an gesellschaftliche Entwicklung. Stichwort ist hier der Inflationsausgleich.
Warum schließen die Betriebsräte keine Tarifverträge im REGIOMED- Konzern ab?
Lücke: Das Verhandeln und Abschließen von Tarifverträgen ist Betriebsräten gesetzlich untersagt. Das Betriebsverfassungsgesetz regelt abschließend, dass Entgelte und sonstige Bedingungen, die „üblicherweise durch Tarifverträge“ (also von Gewerkschaften für ihre Mitglieder) geregelt werden, nicht Gegenstand einer betrieblichen Vereinbarung sein können (§ 77 BetrVG). Die Frage muss anders gestellt werden: Warum holen sich die Beschäftigten nicht einfach ihren TVöD ?
Eine kleine Kundgebung vor dem eigenen Haus, zusammen mit den Gewerkschaften, der Aufruf zu Tarifverhandlungen – und schon müsste die Konzernleitung reagieren.
Nun ist doch seit geraumer Zeit bekannt, dass REGIOMED in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt. Sind da Lohn- und Gehaltserhöhungen realistisch?
Lücke: Ja, natürlich. Aber das wusste Frau Meißner auch, als sie ihre wohlfeile Forderung nach „gleichem Lohn für gleiche Arbeit“ in diesen Tagen Ihnen gegenüber formuliert hat. Deswegen finde ich die aktuelle Forderung auch verantwortungslos. Anders als Frau Meißner tragen sechs Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der REGIOMED zusammen mit acht kommunalen Spitzenvertretern die Verantwortung für unsere REGIOMED mit. Dort, wo es politisch verhandelbar war, haben wir Betriebsräte mitgeholfen, Annäherungen an das öffentliche Lohnniveau zu ermöglichen. Dort, wo die kommunalen Träger es mehrheitlich nicht wollten, konnten die Betriebsräte in all den Jahren nichts erreichen.
Mitte Juli gab es in REGIOMED große Aufregung um ein Interview, das mehrere Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat geführt haben. Damals ging es darum, dass Landrat Müller in Hildburghausen seiner Meinung Raum gegeben hat, den REGIOMED- Aufsichtsrat aufzulösen und stattdessen einen Beirat zu gründen. Warum haben Sie sich dazu zunächst nicht geäußert?
Lücke: Ich habe den Weg, auf dieses öffentliche Statement von Landrat Müller in einer Sitzung des Kreistags Hildburghausen öffentlich zu reagieren, für falsch gehalten. Der Konzernbetriebsrat hatte im Juni vorsichtig damit begonnen, mit einzelnen Fraktionsvertretern (beginnend im Kreistag von Hildburghausen) vertrauliche „Zukunftsgespräche“ zu REGIOMED zu führen, abseits einer Protokollierung, ergebnisoffen und vertrauensbildend. Leider wurde durch eine Nachfrage im Kreistag das Statement von Thomas Müller „herausgelockt“ und wäre schon lange wieder vergessen, wenn nicht vier Kollegen (gegen meinen ausdrücklichen Rat vorab) ihr Pressegespräch trotzdem geführt hätten. Nach dessen Veröffentlichung hat dann auch der Coburger Betriebsrat in einem internen, an unsere Coburger Mitarbeiter/innen gerichteten Schreiben zu der „Idee“ Stellung genommen, den aus unserer Sicht zwingend erforderlichen Aufsichtsrat durch einen „Beirat“ zu ersetzen. Diese „Idee“ hätten wir Betriebsräte der kommunalen Seite gerne in einer Fortsetzung unseres „kommunalen Dialogs“ wieder ausgeredet. Mit Kommunalpolitikern gelingt der Dialog auf der Sachebene im nicht- öffentlichen Raum in der Regel besser.
Der Artikel (in einem Printmedium) der vier Kollegen und das Mitarbeiter- Flugblatt in Coburg haben nun das Verhältnis zu unseren Trägern auf eine neue Belastungsprobe gestellt. Ich bin jedoch Optimist: die vor uns liegenden Aufgaben der REGIOMED brauchen eine gute Zusammenarbeit. Diese jedoch hat ihren rechtsstaatlichen Preis. Aus unserer – Coburger – Sicht braucht unsere REGIOMED zwingend ihren paritätisch besetzten Aufsichtsrat („8+8“ statt bisher „8+6“). Und im Hinblick auf die sich ab jetzt vollziehende Krankenhausreform unter Bundesminister Professor Karl Lauterbach gehört auch ein weiterer, medizinischer Geschäftsführer, neben dem bisherigen Allein- Geschäftsführer, zu unserer Vorstellung von einem modernen Konzern dazu.
Mit Martin Lücke sprach Horst Mitzel.