Scharfe Worte beim CSU-Neujahrsempfang in Coburg
Parteienkost mit Currywurst
Auf wen wird noch gewartet? Der „Neujahrsempfang mit Blasmusik“, wie ihn der CSU-Kreisverband Coburg-Stadt ankündigte, könnte im Saal des „Münchner Hofbräu“ längst beginnen. Gastredner Klaus Holetschek (60) ist nämlich pünktlich eingetroffen, die Uhr zeigt 13.30 Uhr. Gleich scharen sich mehrere heimische Mandatsträger um den Landespolitiker, auch Hans Michelbach. Der frühere Bundestagsabgeordnete ist in seinem ehemaligen Wahlkreis zu Besuch, Kontakte gilt es auch im Ruhestand zu pflegen.
Nur Kreisvorsitzender Kurt Knoch hat sich nicht in diese Gruppe eingereiht. Er hat seit rund 30 Minuten seinen Platz am Saaleingang. Dort begrüßt K.K. in der Rolle des Gastgebers per Handschlag die stattliche Gästeschar.
Jetzt erscheinen in der Tür der Coburger Unternehmer Thomas Kaeser und seine Frau. Knoch begrüßt die Neuangekommenen herzlich, bittet sie nach vorne in den Saal. Dort bricht Hektik aus. Alle Plätze sind schon besetzt. Wer es wichtig fand oder sich für wichtig hält, hatte sich dort einen Platz gesichert. Mehrere Personen räumen ihren bisherigen Stuhl, Kaesers nehmen Platz.
Kurt Knoch hat nun seine Aufgabe erfüllt. Die Blasmusik aus der Dose verstummt. Noch blättern einige Besucher in dem reichlich ausliegenden Prospektmaterial zur Bundestagswahl am 23. Februar oder greifen nach der Speisenkarte, die ebenfalls auf den Tischen ausliegt. Angeboten werden Currywurst, Kässpätzle und weitere, teuere Gerichte.
Begrüßen darf die gesamte Gästeschar Helge Jost Kienel, einer der stellvertretenden Vorsitzenden. Kurt Knoch hat ihm die Bühne überlassen, er habe schließlich auch die Vorbereitungen für den Jahresempfang geleitet, begründet dieser seine persönliche Zurückhaltung.
Als erster Redner tritt Hans-Herbert Hartan ans Mikrophon. Seit ein paar Wochen gilt er als OB-Kandidat für die Kommunalwahl im Frühjahr nächsten Jahres, hat also zu seinen Aufgaben als Stadtrat, Fraktionsvorsitzender und Zweiter Bürgermeister noch eine weitere hinzugenommen. Und Hartan legt los. Schon nach wenigen Minuten ist klar: Dem Neujahrsempfang mag es in mehreren Punkten an festlichem Glanz fehlen, an deutlichen Worten fehlt es nicht. Hartan zieht vom Leder, Grüne („Ideologische Sekte“), SPD („kein zukunftsorientiertes Konzept“), auch der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Friedrich Merz, bekommt sein Fett ab. Später wird HHH auf Nachfrage sagen, er sei ausdrücklich von der Versammlungsleitung aufgefordert worden, eine kämpferische Rede zu halten.
Klaus Holetschek folgt ihm als Redner. Zunächst einmal fällt zeitweise die Technik aus, doch der Allgäuer ist auch ohne Verstärker bis im hintersten Eck des Saales gut zu verstehen. Holetschek spricht von einer „Schicksalswahl“ am Sonntag, 23. Februar, geißelt die Bürokratie in Deutschland und betont in seiner 22-minütigen Rede, dass die CSU sich nie der AfD annähern werde. Währenddessen tischt der Service in den vorderen Reihen in bevorzugtem Maße leckere Portionen Currywurst auf.
Dann ist MdB Dr. Jonas Geissler an der Reihe. Vor allem seinetwegen ist Klaus Holetschek nach Coburg gekommen. Es gilt, den Abgeordneten aus dem Frankenwald in seinem Werben um Stimmen in der zweiten Februar-Hälfte zu unterstützen; Dr. Geissler möchte das vor knapp vier Jahren erzielte Direktmandat erfolgreich verteidigen.
Es ist eine gut ausformulierte freie Rede, die Dr. Geissler hält. Von allen drei Politikern, die nacheinander das Wort ergriffen hatten, erreichte der 40-Jährige wahrscheinlich am ehesten die Herzen der im Saal versammelten CSU-Sympathisanten, die ihm aufmerksam zugehört haben.
„Wenn einer arbeiten kann“, sagt Dr. Geissler, „muss er leistungsbereit sein“. Und diejenigen, „die uns ausnutzen, müssen wir wegbekommen“. Das versteht jeder, da rührt sich kein Widerspruch.
Wenige Minuten später beendet Helge Jost Kienel den offiziellen Teil. Da hält es Thomas Kaeser nicht mehr auf seinem Stuhl. Spontan springt er auf und spurtet auf die Bühne. Das verdutzte Publikum lässt er wissen, dass die“10 Gründe für die CSU“ zur Bundestagswahl, wie sie dem Prospektmaterial auf den Tischen zu entnehmen sind, seine volle Zustimmung finden.
Der Saal beginnt sich zu leeren. Bitte zahlen, nicht vergessen!