Wahl-Nachlese auf Landkreisebene
Gerupftes farbiges Federvieh
Watzendorf und Gossenberg sind zwei kleine Dörfer im Süden des Landkreises Coburg. Zusammen haben sie etwa 250 Einwohner. Vor fast 50 Jahren gaben sie ihre Selbstständigkeit auf und wurden in die Gemeinde Großheirath eingegliedert.
Bei der Bundestagswahl am letzten Februar-Sonntag erreichte der CSU-Kandidat Dr. Jonas Geissler (Kronach) in der Gesamtgemeinde Großheirath mit einem Stimmenanteil von 43,1 Prozent ein respektables Ergebnis. Noch höher war sein Erfolg jedoch in Seßlach, wo Dr. Geissler am Wohnort des CSU-Kreisvorsitzenden MdL Martin Mittag sogar 47,6 Prozent der Stimmen einfuhr.
Nun sollten solche Zahlen Grund zur Freude für den erfolgreichen Politiker und dessen Anhang sein. Sind sie aber nicht. Das Ergebnis in der Gemeinde Großheirath wird nämlich durch einen bemerkenswerten Wahlerfolg der AfD geschmälert. In Watzendorf nämlich, wo die Einheimischen wie ihre Nachbarn aus Gossenberg im Wahllokal ihre Stimmzettel in die Wahlurne warfen, entfielen bei der Erststimme für den AfD-Kandidaten 37,0 Prozent, bei der Zweitstimme waren es sogar 38,9 Prozent. Dr. Geissler kam dort auf „nur“ 30,6 Prozent, für die CSU stimmten 26,9 Prozent.
Zahlen, wie die für die AfD in Watzendorf, gab es in ähnlicher Größenordnung auch im Stadtbereich Neustadt. Ihre Nähe zu Sonneberg, wo Deutschlands einziger AfD-Landrat seit Sommer 2023 amtiert, war schon in den Wochen vor dem Wahltag spürbar.
In Neustadt wollen viele Bürgerinnen und Bürger festgestellt haben, dass im Vorfeld etliche AfD-Anhänger aus der thüringischen Partnerstadt ihren bayerischen Parteifreunden mit Rat und Tat zur Seite standen.
Bei der Erst- wie bei der Zweitstimme, fuhr die AfD in Neustadt jeweils 28,5 Prozent ein. Im Familienzentrum (Wahllokal 1) setzte sich der AfD-Bewerber Michael Gebhardt sogar mit einem Stimmenanteil von 45,0 Prozent an die Spitze aller Kandidaten.
Auch in den neuen Bundestag entsendet die Region Coburg wieder zwei Abgeordnete: Dr. Jonas Geissler (CSU) und Johannes Wagner (Grüne). Der Kronacher Dr. Geissler konnte sein 2021 erstmals errungene Mandat nicht nur erfolgreich verteidigen, sondern sogar ausbauen. Wagner gelang der Wiedereinzug über die Landesliste. Wie vor vier Jahren.
Erneut nicht dabei ist die SPD, wie schon seit dem unrühmlichen Abgang ihres Genossen Dr. Carl-Christian Dressel vor mehr als einem Jahrzehnt. Ihr aktueller Kandidat Jonas Eckstein (Dörfles-Esbach) lieferte zwar einen aufopferungsvollen Wahlkampf (ihm widmete sogar die „Süddeutsche“ ein paar Zeilen), er stand aber von Anfang an auf verlorenem Posten. Für ihn kam die Bundestagswahl 2025 etwas zu früh. Einerseits war er persönlich durch Prüfungen an der Hochschule Coburg zeitlich eingeschränkt, zum anderen fehlte es oftmals an Unterstützung durch Parteikollegen. Auf der Landesliste war der 26-Jährige erst nahe der Position 30 platziert, also aussichtslos. Einst galt Coburg als eine SPD-Hochburg, jetzt wird sie als Leichtgewicht eingestuft. Das gilt noch mehr für die FDP.
Aber auch bei der CSU gab es nach der Wahl nicht nur heitere Mienen. Das Gesamtergebnis für die Union fiel weder in Bayern noch deutschlandweit so hoch aus, wie es einige Wochen zuvor noch Umfragen erwarten ließen.
Kurz vor dem Finale hatte die CSU Coburg-Land den Präsidenten des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), Günther Felßner (58), in Gestungshausen zu Gast. Der passionierte Landwirt aus Lauf an der Pegnitz hat zwar als Kandidat auf der CSU-Landesliste den Sprung nach Berlin nicht geschafft, doch Parteichef Dr. Markus Söder hat ihn schon lange vor dem 23. Februar als deutschen Landwirtschaftsminister ins Gespräch gebracht, man kann auch sagen: gesetzt.
Die Coburger Bauern, das wurde in Gestungshausen deutlich, hätten gegen dessen Berufung ins Bundeskabinett nichts einzuwenden. Mehr als eineinhalb Stunden lang präsentierte sich ihnen Fleßner als einer der ihren. Zuvor war er durch die Publikumsreihen gegangen und hatte seinen Berufskollegen und anderen Gästen Wahlprospekte in die Hand gedrückt.
Solche Momente gab es bei der SPD nicht. Die Sozialdemokraten wiederum hatten Neujahrsempfänge dazu genutzt, mit prominenten Gästen wenigstens vorübergehend für einige Stunden Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
ALLES KORREKT?
So war beim SPD-Kreisverband Coburg-Land der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion im Bayerischen Landtag, Holger Grießhammer, zu Gast. Es mag äußerst selten vorkommen, dass ein prominenter Besucher nicht nur Zeit für eine Rede aufbringt, sondern sich auch am Ort des Geschehens umsieht. SPD-Kreisvorsitzender Carsten Höllein (auch Dritter Bürgermeister in Seẞlach) fand Gelegenheit, den Landespolitiker aus Ost-Oberfranken durchs Städtchen zu führen und ihm dabei einige Probleme (Heimatmuseum, Denkmalpflege etc.) und Wünsche vorzutragen.
Der SPD Coburg-Stadt war es durch den früheren Oberbürgermeister und jetzigen Fraktionsvorsitzenden Norbert Tessmer gelungen, den bisherigen kommunalpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Bernhardt Daldrup (Sendenhorst/Nordrhein-Westfalen), nach Coburg zu lotsen. Dort, wie auch in Seßlach, wurde deutlich, wo die SPD die Grundlage für ein politisches Comeback bei den nächsten Wahlen sieht: In der Unterstützung ihrer Landräte und Bürgermeister, die das SPD-Parteibuch haben. Oder anders ausgedrückt: In Politikern, die ihre Bodenhaftung nicht verloren, also das Ohr am Puls der Menschen haben.
Für die nächste Kommunalwahl in Bayern sind – zum Teil noch hinter den Kulissen – die ersten Vorbereitungen bereits angelaufen. Voraussichtlich werden am Sonntag, 8. März 2026, die Wählerinnen und Wähler gebeten, ihre Stimme abzugeben.
Horst Mitzel

Übrigens: Auch bei den Freien Wählern ist Seßlach ein erfolgreiches Pflaster. Ihr Bundestagskandidat Nikolai Hiesl aus Schmölz holte dort mit 8,2 Prozent der Erststimmen die meisten auf Coburger Kreisebene. Mit ihm freute sich darüber dessen ehemaliger Arbeitskollege bei der Stadt Coburg, Maximilian Neeb (FW). Neeb ist seit Frühjahr 2019 Erster Bürgermeister der Stadt Seßbach.