10.000 Besucher bei der Einheitsfeier in Ummerstadt

Der Landkreis Hildburghausen setzt ein Zeichen

Hat je zuvor eine zentrale Einheitsfeier der Landkreise Coburg, Haßberge, Hildburghausen und Sonneberg sowie der Stadt Coburg so viele Menschen vereint wie am 3. Oktober 2025 in Ummerstadt? Auch wenn viele Zahlen verständlicherweise nur auf Schätzungen beruhen und nur wenige nachweislich belegt werden können, diese Zusammenkunft 35 Jahre nach der Wiedervereinigung frischte noch einmal Willy Brandts Worte auf: „Es wächst zusammen, was zusammen gehört.“

Warum der Coburger OB fehlte

Seine Abwesenheit bei der Einheitsfeier in Ummerstadt begründete Oberbürgermeister Dominik Sauerteig (Coburg) auf Anfrage wie folgt: „Ein Teil meines Jahresurlaubs war bereits langfristig in diesem Zeitraum vorgesehen. Ich muss Urlaub ja so planen, dass möglichst keine Gremiensitzungen in der Stadt Coburg in dieser Zeit stattfinden. Das ermöglicht nur wenige Lücken. Und nachdem Coburg Marketing auch in die Vorbereitung des Jubiläums eingebunden war, wurde die Stadt Coburg durch den für Coburg Marketing zuständigen Zweiten Bürgermeister Hans-Herbert Hartan vertreten, der zugleich auch für die Stadt Coburg im Tourismusverein sitzt.“

Die hohe Besucherzahl von rund 10.000 ist das eine, die Atmosphäre, die Stimmung im großen Festzelt, in den Straßen und auf den Plätzen des Städtchens, vor allem aber die grenzenlose Unterstützung vieler ehrenamtlichen Helfer, welche die Feier auf thüringischem Boden prägten, ist das andere. Diese offizielle Festveranstaltung glich in mehreren Bereichen einem großen Familienfest. Oder wie es Landrat Sven Gregor (Hildburghausen) umschreibt: „Es war ein eindrucksvolles Zeichen gelebter Partnerschaft über Ländergrenzen hinweg.“ Ursprünglich sollte Ummerstadt schon 2020 Gastgeber für die turnusgemäß alle fünf Jahre stattfindende Einheitsfeier sein. Doch wie so vieles ließ Corona dies nicht zu.

Unterdessen gab es an der Spitze des Landkreises Hildburghausen einen Wechsel. Im Sommer 2024 trat der langjährige Landrat Thomas Müller in den Ruhestand. Mit seinem Nachfolger Sven Gregor zog frischer Wind in die Amtsstuben ein. Als mit den Vorbereitungen für die Einheitsfeier begonnen werden musste, stellte sich Sven Gregor an die Spitze der Organisatoren und blieb in dieser Rolle bis zum Schluss der fröhlichen Feier.

Nichts war dem Landrat in den Wochen und Monaten zuviel. Denn: Es gab, wie sollte es anders sein, zunächst einmal etliche Bedenkenträger. Eine große Feier in ein Städtchen zu vergeben, das nicht einmal 500 Einwohner zählt, nein, das erschien vielen zu riskant. Aber Ummerstadt, Thüringens kleinste und Deutschlands zweitkleinste Stadt, hat sich bei der Gestaltung und Durchführung von Festen schon oftmals bewährt. In besonderer Erinnerung ist vielen noch das Stadtjubiläum im Jahre 2012. So brachte auch diesmal die Bürgerstiftung mit Peter Oestreicher ihre Erfahrungen mit ein. Erneut ließ sie es an praktischer Hilfe nicht fehlen.

Die Planungen wurden im Landkreis Hildburghausen sorgfältig getroffen. Vor allem mangelte es nicht an Professionalität.

Als eine große Aufgabe wurde die Bereitstellung von Parkplätzen für die zu erwartenden Gäste  betrachtet. Um Engpässe so niedrig wie möglich zu halten, wurden Buslinien auf den Strecken Coburg-Bad Rodach-Hildburghausen-Heldburger Unterland-Gemünda nach Ummerstadt eingerichtet. Am Ende nahmen etwa 3.500 Fahrgäste das Angebot an. Die Parkmöglichkeiten nahm Landrat Sven Gregor selbst unter die Lupe. Noch am Vorabend des 3. Oktober fuhr er sie persönlich ab.

Sie strahlen Freude und Zufriedenheit über die Stimmung bei der Einheitsfeier in Ummerstadt aus. Von links: Gastgeber Landrat Sven Gregor (Hildburghausen), Landrat Sebastian Straubel (Coburg), Festredner Dr. Günther Beckstein, Landrat Wilhelm Schneider (Haßberge), Moderator Rico Frank, Kreisrat Hans Pietz (Kronach), Bürgermeister Hans-Herbert Hartan (Coburg) und Bürgermeister Florian Lorz (Ummerstadt).

Die Errichtung eines 5.000 Personen fassenden Zeltes erschien vielen sehr gewagt. Doch der Erfolg gab den Verantwortlichen recht. Als Dr. Günther Beckstein (CSU), der ehemalige Ministerpräsident Bayerns (2007/08), zu seiner Festrede erschien, war das Zelt längst voll besetzt. Für Braten und Klöße standen die Menschen in langen Schlangen an, vor dem Zelt war es an den Bratwurst- und Pizzaständen nicht anders. Überall engagierten sich freiwillige Helfer, die Musikanten der Blaskapelle Neundorf (Gemeinde Weitramsdorf) schenkten Bier aus, um nur sie stellvertretend für viele andere Ehrenamtlichen zu nennen.

Wer Dr. Beckstein noch aus seinen Tagen als Landtagsabgeordneter (1974), Staatssekretär, Innenminister und schließlich als Ministerpräsident kennt, hat ihn als stets höchst konzentrierten, oftmals angespannten Politiker in Erinnerung. Jetzt erlebten ihn viele locker und heiter. Das Publikum feierte den Ehrengast als „Popstar“, wie die Tageszeitung „Freies Wort“ feststellte.

Auf das Oktoberfest habe er verzichtet, „weil ich lieber dahin gehen wollte, wo die Deutsche Einheit gefeiert wird“, sagte Dr. Beckstein, der in der zweiten Novemberhälfte sein 82. Lebensjahr vollendet.

Der ehemalige bayerische Ministerpräsident spricht von einem „Wunder“, das er und Millionen Menschen mit der Grenzöffnung 1989 erlebten. Ein Wunder deshalb, weil die Wiedervereinigung auf friedliche Weise erfolgte. Je länger Dr. Beckstein spricht, desto mehr erreicht er mit seinen Worten die Herzen der Festbesucher. Immer wieder brandet Beifall auf, wenn der Redner die Leistungen der Menschen diesseits und jenseits der ehemaligen Demarkationslinie würdigt. Natürlich seien, so sagt der Franke Beckstein, auch Fehler gemacht worden, aber kein Mensch habe ein Drehbuch gehabt. O-Ton Beckstein: „Wir haben alles erst in der Minute der Entscheidung erarbeitet.“ Am Ende seiner Rede zitiert er die Deutsche Nationalhymne. Anderswo wird sie bei ähnlichen Veranstaltungen vom Publikum gesungen. In Ummerstadt erheben sich die Versammelten von ihren Plätzen und danken dem Festredner mit minutenlangem Applaus.

Zu diesem Zeitpunkt sind im Zelt alle Brötchen vergriffen – ausverkauft. Irgend einer weiß am Tisch der Ehrengäste, dass im Internat in Haubinda etwa 700 Brötchen als Halbfabrikate kühl gelagert werden. Zuerst wird nach dem Internatsleiter Ausschau gehalten, dann nach dem dortigen Koch. Und wenig später eilt ein Kurier nach Haubinda und holt die Brötchen nach Ummerstadt. Welch ein Zufall: Die Schülerinnen und Schüler der Hermann Lietz Schule haben Herbstferien.

Mit Dr. Beckstein machen sich die Landräte, sowie Coburgs Zweitem Bürgermeister Hans-Herbert Hartan und dem weiteren Stellvertreter des Kronacher Landrates, Hans Pietz, zu einem Bummel durch die Straßen und über die Märkte in Ummerstadt auf, wo vor den rund 50 Ständen ein starkes Gedränge herrscht. Vor allem Vereine nutzen die Veranstaltung für ihre Öffentlichkeitsarbeit, aber auch Erzeugnisse aus der Region, von Honig bis Wein, von Wildspezialitäten bis Schnitzereien werden angeboten. Nur der Sonneberger Landrat Robert Sesselmann hat sich schon „verdrückt“. Und aus dem Urlaub ließ der Coburger Oberbürgermeister Dominik Sauerteig Grüße ausrichten (siehe „Warum der Coburger ..“). Übrigens: Bürgermeister. Aus allen Landkreisen wurden viele gesichtet, gefühlt jedoch mehr „i.R. – im Ruhestand“ als amtierende.

Am Feuerwehrhaus verabschiedeten Gastgeber und Parteifreunde Dr. Beckstein. Im Kofferraum seines 1er BMW hatten sie zuvor bereits das Gastgeschenk (regionale Spezialitäten und Ummerstadter Bier) verstaut. „Dankeschön und macht’s gut“, rief der Scheidende der kleinen Delegation durchs geöffnete Autofenster zu und fuhr davon.

Im Städtchen wurde weiter gefeiert, auch am anderen Tag noch, allerdings nicht mehr bei „Kaiserwetter“. Für beide Tage stellte die Polizei nüchtern fest: „Ereignisloses Wochenende“.

Diese zwei Worte unterstreichen den Wert der Einheitsfeier, die mit einem traditionellen Gottesdienst am Ummerstadter Kreuz begonnen hatte. Die nächste zentrale Feier darf die Region Coburg ausrichten. In der Stadt Coburg war eine solche Feier noch nie, auf Kreisebene fand sie schon zweimal statt. Bei seiner Urlaubsplanung sollte der dann amtierende Coburger OB den 3. Oktober 2030 berücksichtigen. Wie dies auch von anderen erwartet werden darf.

Horst Mitzel