Sven Gregor seit einem Jahr im neuen Amt
„Was ich verspreche, das halte ich auch“ – sagt Landrat Sven Gregor (Freie Wähler) in einem Interview mit dem hm-.ZweiLänder-Magazin. Vor einem Jahr haben die Wählerinnen und Wähler den früheren Eisfelder Bürgermeister (2012 bis 2024) an die Spitze des Landkreises Hildburghausen berufen. Turbulente Monate liegen hinter Sven Gregor. Jetzt schaut der 48-Jährige zurück, richtet zugleich seinen Blick nach vorn und verrät, welches Versprechen er in diesen Tagen erfüllt, das er jungen Menschen gegeben hat.
Von Horst Mitzel
Herr Landrat Gregor, vor einem Jahr (1. Juli) sind Sie an die Spitze des Landkreises Hildburghausen gerückt. Wie ist Ihre vorläufige Bilanz?
Gregor: Das erste Jahr ist tatsächlich wie im Flug vergangen. Ich bin im Landratsamt sehr gut angekommen – vielleicht sogar besser, als ich es ursprünglich erwartet hatte. Natürlich gab es von Beginn an anspruchsvolle Aufgaben, die meine volle Aufmerksamkeit gefordert haben. Besonders hervorzuheben ist dabei die Übernahme der Kliniken in die kommunale Trägerschaft des Landkreises – eine komplexe, aber äußerst wichtige Herausforderung, die wir mit großer Verantwortung angegangen sind.
Das große Ziel: Gesundheitsversorgung zukunftssicher gestalten

Beleuchten wir doch einmal ein bisschen die allseits bekannten Probleme. Der länderübergreifende Klinikverbund REGIOMED ist eineinhalb Jahrzehnte nach seiner vielumjubelten Gründung zerbrochen. Wie kam seither der Landkreis Hildburghausen mit seinen Klinikeinrichtungen in finanziellen und medizinischen Fragen an den verschiedenen Standorten zurecht?
Seit Oktober letzten Jahres ist der Landkreis alleiniger Gesellschafter von zwei Kliniken und einem ambulanten Versorgungszentrum. Diese neue Verantwortung bringt große Aufgaben mit sich. Wir arbeiten aktuell intensiv an der Entflechtung der bisherigen REGIOMED-Strukturen. Unser Ziel ist es, die Grund- und Regelversorgung am Standort Hildburghausen, die Reha-Klinik in Masserberg sowie das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) künftig eigenständig und in kommunaler Verantwortung zu führen. So wollen wir langfristig stabile, transparente und bürgernahe Versorgungsstrukturen schaffen. Welche zusätzlichen Herausforderungen durch eine bundesweite Gesundheitsreform auf uns zukommen, ist derzeit noch offen. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam die Gesundheitsversorgung im Landkreis zukunftssicher gestalten können.
Hat der Landkreis Hildburghausen langfristig die Chance, sein Krankenhauswesen in eigener Regie aufrechtzuerhalten?
Ja – wenn die große Politik uns die nötigen Handlungsspielräume lässt und die geplanten Reformen im Gesundheitswesen nicht nur abstrakt bleiben, sondern auch in der Praxis umsetzbar, alltagstauglich und finanzierbar sind.
REGIOMED gehört also der Vergangenheit an. Ist mit dem Klinikkonzern insgesamt die länderübergreifende Zusammenarbeit zwischen den südthüringischen Landkreisen Hildburghausen und Sonneberg mit dem bayerischen Landkreis Coburg und der Stadt Coburg zerbrochen?
Die Insolvenz von REGIOMED war zweifellos ein Einschnitt – sie hat die Zusammenarbeit zwischen den Landkreisen und der Stadt Coburg belastet und vielleicht auch Vertrauen erschüttert. Aber gerade jetzt ist es wichtig, den Blick nach vorn zu richten. Wir haben in der Vergangenheit gezeigt, dass wir gemeinsam viel erreichen können: Der Zweckverband Grünes Band, das engagierte Tourismusmanagement rund um Coburg-Rennsteig und die Initiative Rodachtal stehen für erfolgreiche, partnerschaftliche Projekte. Daran wollen wir anknüpfen – mit Zuversicht und dem festen Willen zur Zusammenarbeit.
Bleiben wir dennoch bei diesem Thema. In welchen Bereichen arbeiten zum Beispiel die Landkreise Hildburghausen und Sonneberg eng miteinander?
Die Landkreise Hildburghausen und Sonneberg arbeiten in verschiedenen Bereichen eng zusammen. Beispiele dafür sind der Rettungsdienstzweckverband Südthüringen und der Zweckverband für Abfallwirtschaft Südwestthüringen.
Einheitsfeier in Ummerstadt mit dem ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Günther Beckstein
In früheren Jahren, als Sie Bürgermeister der Stadt Eisfeld waren, pflegten Sie auch persönliche Kontakte zum Bürgermeister der Gemeinde Lautertal, Sebastian Straubel. 2019 wurde dieser zum Landrat des Landkreises Coburg gewählt. Hat das Fiasko um REGIOMED das enge Nachbarschaftsverhältnis und die zwischenmenschlichen Beziehungen belastet?
In den letzten Jahren sind die Beziehungen zu Sebastian Straubel spürbar abgekühlt – der Weg zwischen dem Landratsamt Coburg und dem Rathaus in Eisfeld war nicht immer frei von Hürden. Doch seit über einem Jahr verbindet uns wieder ein kollegiales Miteinander und wir begegnen uns häufiger. Das ist eine wertvolle Chance, aufeinander zuzugehen, alte Bande zu stärken und das vertrauensvolle, freundschaftliche Verhältnis neu mit Leben zu füllen.
Am 3. Oktober veranstalten die thüringischen Landkreise Hildburghausen und Sonneberg und ihre bayerischen Nachbarn (die Landkreise Coburg und Haßberge, sowie die Stadt Coburg) eine zentrale Feier zur Erinnerung an die deutsche Wiedervereinigung vor 35 Jahren in Ummerstadt. Ist es gelungen, hierfür einen namhaften Festredner zu bekommen?
Nachdem der Thüringer Ministerpräsident Prof. Dr. Mario Voigt die Schirmherrschaft für das Festwochenende übernommen hatte, galt es, einen Festredner mit Format zu finden. Dank der engagierten Unterstützung durch den Coburger Landrat Sebastian Straubel ist es gelungen, Dr. Günther Beckstein, den ehemaligen Bayerischen Ministerpräsidenten, als Festredner zu gewinnen – eine herausragende Persönlichkeit, die dem Fest besonderen Glanz verleiht.
Vereine und Organisationen auf beiden Seiten wurden zur Teilnahme aufgefordert, die Zentralfeier mitzugestalten. Es soll einen regionalen Markt und ein buntes Programm geben. Kann mit einer regen Beteiligung sowohl aus dem thüringischen wie aus dem bayerisch-fränkischen Raum gerechnet werden?
Ja, es wird ein außergewöhnliches Fest – geprägt von länderübergreifender Zusammenarbeit und gelebter Nachbarschaft. Die enge Kooperation der Kommunen Ummerstadt, Weitramsdorf, Seßlach, Heldburg und Bad Rodach zeigt, wie durch gemeinsames Handeln ein bedeutungsvolles Ereignis für die gesamte Region entstehen kann. Das Festprogramm ist ebenso abwechslungsreich wie stimmungsvoll:
· ein feierlicher Gottesdienst am Ummerstädter Kreuz
· eine geführte Wanderung von Heldburg nach Ummerstadt
· ein großer Handwerkermarkt mit rund 50 Verkaufs- und Informationsständen
· kulinarische Spezialitäten aus der Region
· ein buntes Bühnenprogramm mit Musik, Tanz und Chorgesang
Alle beteiligten Landkreise und die Stadt Coburg tragen aktiv zum Gelingen bei – mit kulturellen Beiträgen, regionalem Handwerk und herzlicher Gastfreundschaft. Dieses Fest wird ein lebendiges Zeichen für Zusammenhalt, Vielfalt und die Stärke regionaler Zusammenarbeit.
„Unsere Kinder verdienen moderne und sichere Lernorte“
Noch einmal zurück in den Landkreis Hildburghausen. Welche neuen Projekte konnten Sie seit Amtsantritt anschieben?
Die letzten Monate waren geprägt von intensiven Herausforderungen – besonders im Bereich unserer gesundheitlichen Versorgung. Die Situation rund um unsere Kliniken hat mir, wie vielen anderen, große Sorgen bereitet. Gemeinsam mit der Kreisverwaltung und dem Kreistag konnten wir wichtige Weichen stellen. Es waren Kraftanstrengungen nötig, aber ich bin überzeugt: Es hat sich gelohnt. Denn eine verlässliche medizinische Versorgung ist für uns alle unverzichtbar – besonders in einem ländlich geprägten Raum wie unserem.
Auch im Landratsamt haben wir einiges vorangebracht. Die Verwaltung neu zu ordnen, effizienter und zukunftsfähiger zu gestalten, war mir ein echtes Herzensanliegen. Mit drei Dezernaten, 14 Ämtern und sechs Stabsstellen haben wir eine stabile Struktur geschaffen, damit wir alle Aufgaben noch besser und zielgerichteter bearbeiten können.
Ein Projekt, das mich besonders bewegt, ist der Schulcampus in Hildburghausen. Bildung ist der Schlüssel für die Zukunft unserer Kinder – und damit auch für die Zukunft unseres Landkreises. Der Neubau der Grundschule in der Waldstraße ist ein starkes Zeichen. Und ab 2027 wird eine weitere Grundschule im Campus umfassend saniert. Damit setzen wir ein klares Signal: Unsere Kinder verdienen moderne und sichere Lernorte.
Auch auf unseren Kreisstraßen geht es voran: Der Ausbau des Abschnitts zwischen Gießübel und Kahlert ist ein weiterer Schritt hin zu einer besseren Infrastruktur – für mehr Sicherheit und Lebensqualität.
Gleichzeitig müssen wir realistisch bleiben: Die Haushaltsplanungen für 2026 zeigen deutlich, dass große Investitionen in den kommenden Jahren nur dann möglich sind, wenn zusätzliche Mittel bereitgestellt werden. Vor allem für Schulen, Straßen und Sportplätze braucht es weiter gezielte Unterstützung – vom Land, vom Bund und vielleicht auch von neuen Ideen.
Trotz aller Herausforderungen bin ich voller Zuversicht. Denn ich weiß: Mit Mut, Zusammenhalt und dem Blick für das Wesentliche können wir unseren Landkreis Stück für Stück weiter voranbringen.
Der Landkreis Hildburghausen ist mit 32 selbstständigen Kommunen, zwei Verwaltungsgemeinschaften und mit 60.000 Einwohnern einer der kleinsten in Thüringen. Ist er auch zukunftsfähig?
In der Tat zählt unser Landkreis derzeit nur noch 59.987 Einwohner. Doch diese Zahl allein ist nicht ausschlaggebend. Ebenso entscheidend sind Fläche, Infrastruktur und die teils weiten Entfernungen zwischen den Orten, all das muss zwingend mitberücksichtigt werden. Im ländlichen Raum mit geringer Bevölkerungsdichte sind häufig andere Lösungswege gefragt.
Eine zentrale Rolle spielt dabei die interkommunale Zusammenarbeit. Schon heute kooperieren wir mit anderen Landkreisen in Zweckverbänden, Vereinen und Gesellschaften. Diese bestehenden Partnerschaften wollen wir künftig weiter intensivieren. Auf diese Weise gelingt es uns, die Kreisverwaltung auch in kleinen Strukturen zukunftsfähig aufzustellen.
Thüringen hat im Vorjahr eine neue Landesregierung bekommen. Was macht sie im Interesse der Städte und Landkreise besser als die Vorgänger-Regierung?
Um an dieser Stelle eine abschließende und fundierte Bewertung abgeben zu können, ist die Amtszeit der neuen Landesregierung noch zu kurz. Dennoch lässt sich bereits feststellen, dass ein großes Interesse an den Herausforderungen der Kommunen besteht und den Anliegen vor Ort Gehör geschenkt wird.
Ein gutes Beispiel hierfür ist Minister Steffen Schütz, zuständig für Digitales und Infrastruktur. Er führt monatlich Videokonferenzen mit den Landräten durch, um aktuelle Themen und Herausforderungen zu besprechen. Auch Ministerpräsident Dr. Mario Voigt ist regelmäßig vor Ort unterwegs und sucht gemeinsam mit den kommunal Verantwortlichen nach konkreten Lösungen und zukunftsfähigen Ideen.
Wirtschaftliche Entwicklung ist ins Stocken geraten
Wo drückt die Wirtschaft im Landkreis Hildburghausen der Schuh?
Die wirtschaftliche Entwicklung im Landkreis ist derzeit deutlich ins Stocken geraten. Die aktuellen Indexzahlen der IHK Südthüringen zeichnen ein eher düsteres Bild – die Stimmung in der heimischen Wirtschaft ist, so könnte man sagen, am Nullpunkt angekommen.
Die Ursachen dafür sind vielfältig und liegen oftmals außerhalb unseres direkten Einflussbereichs. Bei meinen Unternehmensbesuchen begegnet mir immer wieder die Sorge über die weltwirtschaftliche Entwicklung und die angespannte geopolitische Lage. Hinzu kommen hohe Energiepreise, der anhaltende Fachkräftemangel und ein zunehmend belastender Bürokratismus – Schlagworte, die sich durch nahezu alle Gespräche ziehen.
In dieser schwierigen Lage sehe ich meine Aufgabe insbesondere darin, als Motivator zu wirken, im engen Austausch mit Unternehmern, Handwerkern und Dienstleistern. Gemeinsam im Netzwerk wollen wir Perspektiven aufzeigen, Mut machen und Chancen nutzen.
Niedrigste Arbeitslosenquote in Ostdeutschland
Wie beurteilen Sie die Arbeitslosenzahlen im Landkreis Hildburghausen?
Trotz der aktuellen Herausforderungen für unsere Unternehmen im Landkreis verzeichnen wir die niedrigste Arbeitslosenquote in ganz Ostdeutschland. Mit 4,5 Prozent erreichen wir einen Spitzenwert, auf den wir durchaus stolz sein können.
Dieser Wert ist jedoch auch ein Ergebnis struktureller Entwicklungen: Derzeit scheiden mehr Arbeitnehmer altersbedingt aus dem Erwerbsleben aus, als junge Berufseinsteiger neu in den Arbeitsmarkt drängen. Dieser demografische Wandel wirkt sich unmittelbar auf die Arbeitslosenstatistik aus und zeigt zugleich, wie wichtig es ist, dem Fachkräftemangel aktiv entgegenzuwirken.
Lassen Sie uns noch einmal das Thema „Schulen“ beleuchten. Wie hoch ist der Sanierungsbedarf in diesem Bereich?
Kinder, Schule und Bildung sind unsere Zukunft – und deshalb ein zentraler Fokus für die künftigen Entscheidungen des Kreistages im Bildungsbereich. Nach Investitionen an den Standorten Heldburg, Römhild, Schönbrunn, Eisfeld und Veilsdorf ist nun Hildburghausen an der Reihe: Hier entsteht derzeit ein moderner Schulcampus mit einer Regelschule und zwei Grundschulen. Die Gesamtsumme der Investition beläuft sich auf rund 43 Millionen Euro. Damit schaffen wir hochmoderne Lernräume mit exzellenter Infrastruktur – ein starkes Signal für die Bildungslandschaft im Landkreis.
Sorge bereitet uns hingegen die Auslastung der Berufsschule in Hildburghausen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf: Gemeinsam mit den Nachbarlandkreisen gilt es, tragfähige Lösungen zu entwickeln, um den sinnvollen und dauerhaften Betrieb auch künftig sicherzustellen.
Nun gehen Sie, Herr Landrat Gregor, gelegentlich noch selbst zur Schule. Kürzlich haben Sie eine Schulklasse in Eisfeld besucht. Die Mädchen und Jungen haben beklagt, dass sie die Gedenkstätte Buchenwald besuchen wollten, doch sei ihnen dies bisher – aus welchen Gründen auch immer – nicht ermöglicht worden. Sie haben spontan Hilfe in Aussicht gestellt. Was ist daraus geworden?
Was ich verspreche, das halte ich auch. Am letzten Schultag vor den Sommerferien, am 27. Juni, fahre ich gemeinsam mit 25 Schülerinnen und Schülern der Regelschule Eisfeld zur Gedenkstätte Buchenwald. Dieser Besuch ist mir ein besonderes Anliegen. Geschichte darf nicht vergessen werden und gerade junge Menschen müssen die Chance erhalten, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Vor Ort werden wir an einer geführten Besichtigung teilnehmen, innehalten und begreifen, was damals geschah. Es wird sicher ein stiller, nachdenklicher Tag, aber auch ein wichtiger.