SPD Coburg-Stadt fordert „tiefgründige Analyse“ 

Achtungserfolg für Sozialdemokraten Jonas Eckstein

Schon zwei Tage nach dem Desaster auf Bundesebene hat der SPD-Stadtverband Coburg einen „internen Prozess zur Aufarbeitung der Bundestagswahl gestartet“. Ziel sei es, so stellvertretender Vorsitzender Stefan Sauerteig, „mit unseren Mitgliedern“ nach den Ursachen des Wahlergebnisses zu forschen und die Frage zu erörtern, „wie es weitergeht“.

Einem „roten Faden“ gleicht die unmissverständliche Forderung nach einer „tiefgründigen Analyse“. Wie kritisch die Coburger Sozialdemokraten einer möglichen Koalition in Berlin gegenüberstehen, verdeutlicht Sauerteigs Bemerkung: „Einen Automatismus hin zu einer schwarz-roten Regierung sehen wir nicht. Die SPD muss wieder als starke politische Kraft für die Sicherung und Wahrung der Interessen der Arbeitnehmer und für die Durchsetzung sozialer Gerechtigkeit sowie die Gestaltung einer stabilen Wirtschaftslage wahrgenommen werden“, bemerkt Genosse Sauerteig weiter.

Der Sozialdemokrat verweist schließlich darauf, dass ihr junger Kandidat Jonas Eckstein bei der Wahl am 23. Februar mehr Stimmen als der amtierende Bundestagsabgeordnete Johannes Wagner (Grüne) erhalten habe. Während aber Wagner über die Landesliste in den Deutschen Bundestag zurückkehrt, hat es für Eckstein nicht gereicht.

Wehmut klingt bei dem Hinweis durch, dass bei früheren Wahlen die SPD Coburg oft starke oder bayernweit beste Ergebnisse beigetragen habe.

Nachstehend das – geringfügig gekürzte Positionspapier – des SPD-Stadtverbandes Coburg im Wortlaut:

„Für uns als SPD Coburg-Stadt ist das Wahlergebnis enttäuschend. Die deutliche Mehrheit der Wählerinnen und Wähler hat sich für die sogenannte „Politikwende“ von Friedrich Merz ausgesprochen und damit die Parteien der früheren Ampel-Koalition abgestraft. Als Demokraten haben wir dieses Votum zu akzeptieren. Wir müssen sehen, ob die Pläne der CDU/CSU unser Land und unsere Region wirklich voranbringen. Wir wünschen dem künftigen Regierungschef und seinem Team alles Gute und viel Erfolg, auch wenn wir große Befürchtungen um das soziale Gleichgewicht an vielen Stellen haben.

Das Wahlergebnis stellt für uns letztendlich keine große Überraschung dar. Es hat sich über die letzten Wochen angekündigt. Und es ist zugegebenermaßen ein selbstverschuldetes Ergebnis aus Führungsfehlern und mangelhafter personeller und inhaltlicher Neupositionierung zu dieser Bundestagswahl nach dem Ende der Ampel Koalition. So wichtig Lösungen bei den Herausforderungen der Migration vor allem bei uns vor Ort in den Kommunen sind: die fast schon ausschließliche thematische Verengung auf das Thema Migration in den letzten Wochen und Monaten war wenig zielführend. Die Sicherung unseres
Wirtschaftsstandorts und damit von Arbeitsplätzen, ein gutes Leben für Jung bis Alt, bezahlbares Wohnen, Bildungschancen für alle, Steuergerechtigkeit und Solidarität bei der Staatsfinanzierung, unsere Umwelt, Klimaschutz- und Klimafolgenanpassung – auch das sind elementare Themen für die Zukunft, in denen die SPD Kernkompetenzen und nachhaltige
Zukunftskonzepte besitzt. Dies wurde im Wahlkampf jedoch viel zu wenig thematisiert.

Die SPD hat in ihrer über 150jährigen Geschichte schon viele Krisen überwunden und so die Zukunft für unser Land und die Menschen über Jahrhunderte gestalten können. Um an diese Erfolgsgeschichte wieder anzuknüpfen, sehen wir jedoch dringenden internen Handlungs- und Reformbedarf an folgenden Stellen:

  1. Personelle Konsequenzen in der Spitze der Bundespartei ziehen
    Wir müssen auch auf Bundesebene auf die Erfolgsrezepte der SPD im kommunalen Bereich setzen und ein Führungsteam aus erfahrenen und erfolgreichen Sozialdemokraten sowie frischen Kräften aufbauen. Prädestiniert für diese Aufgabe sehen wir unseren Vorsitzenden Lars Klingbeil und Verteidigungsminister Boris Pistorius, die ihr Knowhow durch ihre erfolgreiche Arbeit unter Beweis gestellt haben. An ihrer Seite sehen wir junge Leistungsträger wie zum Beispiel Tim Klüssendorf aus Lübeck, der sein Direktmandat verteidigt und damit seine Verwurzelung in der Bevölkerung unter Beweis gestellt hat.
  2. Das Wahlergebnis als Votum und Auftrag der Wählerinnen und Wähler an die CDU/CSU begreifen und diesen Wählerwillen akzeptieren. Die Wählerinnen und Wähler haben sich für ein anderes Politikkonzept ausgesprochen. Dieses Konzept von Friedrich Merz muss nun die Chance bekommen zu greifen. Das Wahlergebnis sagt ganz deutlich, dass die SPD keinen Auftrag zur Regierungsarbeit bekommen hat. Nur weil rein rechnerisch eine schwarz-rote Regierung eine Mehrheit hätte, gibt es keinen Automatismus hin zu einer Regierungsbeteiligung der SPD – im Gegenteil. Vielmehr sollte die SPD-Bundestagsfraktion staatspolitische Verantwortung in einer konstruktiven Oppositionsarbeit beweisen. Das bedeutet für uns auch, Regierungsinitiativen im Einzelnen ergebnisoffen zu prüfen und zu unterstützen, wenn es unserem Land und den Menschen guttut. Eine Verweigerungshaltung, wie sie CDU/CSU in den letzten Wochen nach Zusammenbruch der Ampel Koalition in weiten Teilen praktiziert hat, darf es im Sinne der Menschen nicht geben. Aber das Wahlergebnis hat die Verantwortung zur Umsetzung der Politikwende ganz eindeutig dem künftigen Kanzler Friedrich Merz übertragen und nicht der SPD!
  3. Mitglieder in die Neuausrichtung intensiv einbeziehen!
    Die zukünftige personelle Aufstellung und inhaltliche Ausrichtung muss sehr zeitnah in einem innerparteilichen Diskussionsprozess mit abschließendem Mitgliederentscheid beraten und beschlossen werden, nicht in der Partei- und Fraktionszentrale. Dies gilt insbesondere für die grundsätzliche Ausrichtung der Parlamentsarbeit. Dabei sind die Erkenntnisse aus der Bundestagswahl zu Kompetenzzuweisungen und Wählerwanderungen genau zu untersuchen und der Kurs vor diesem Hintergrund neu zu fokussieren. Der Verlust an Glaubwürdigkeit in zentralen Kompetenzbereichen der SPD kann nur bedeuten, die eigenen politischen Schwerpunkte klarer herauszuarbeiten. Eine Regierungsbeteiligung wird diesen Kurswechsel kaum erfolgreich gelingen lassen.
  4. Neuer Kurs für die Auseinandersetzung mit der AfD
    Wenn 20 Prozent der Wählerinnen und Wähler ihr Kreuz bei der AfD gemacht haben, ist das ein Indiz für einen bislang nicht wirkungsvollen Umgang der demokratischen Kräfte mit dieser Partei. Der Verweis auf eine zwingend zu gewährleistende Brandmauer zwischen demokratischen Kräften und AfD allein genügt nicht mehr. Diese Brandmauer zu halten, ist für die SPD eine Selbstverständlichkeit, die wir nicht dauerhaft wie eine Monstranz vor uns hertragen müssen. Vielmehr ist es Aufgabe der SPD und aller demokratischen Kräfte, die AfD in Zukunft vor allem mit ihren inhaltlich verqueren Positionen zu stellen.
  5. Kandidat/innen künftig entsprechend ihrer Leistung (=Ergebnisse) reihen
    Wir leben in einer Leistungsgesellschaft – dem müssen sich gerade auch Abgeordnete mit Spitzenpositionen in ihrer Vorbildposition stellen. Die SPD ist kein Selbstbedienungsladen für langjährige Abgeordnete zur Mandatssicherung. #ZukunftZeichnen wird nur funktionieren, wenn auch frische Köpfe eine faire Chancen bekommen, in Parlamente einzuziehen, und nicht von Platzhirschen mit ihren langjährigen Netzwerken verhindert werden.

    Es ist der SPD insbesondere in den Städten und Gemeinden vor Ort stets gelungen, Menschen zur Wahl anzubieten, die Orientierung geben und Vertrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern erwecken. Ihr Wort – nämlich das Wort der Oberbürgermeister, Bürgermeister, Landräte und erfahrenen Kommunalpolitiker – muss daher verstärkt die politische Ausrichtung in Berlin bestimmen, nicht seit vielen Jahren bestehende Netzwerke aus amtierenden Abgeordneten unter einer Glashaube, die vornehmlich Mandate untereinander abzusichern versuchen.

    „Nichts ist so beständig wie der Wandel“, schrieb der griechische Philosoph Heraklit. Die SPD hat sich in den Irrungen und Wirrungen der Geschichte als feste Konstante im Parteiensystem etabliert und stets Antworten auf neu anbrechende Zeiten gefunden, ohne ihre Werte aufgeben zu müssen. Die SPD Coburg-Stadt will mit dieser Positionierung ihren Beitrag zur Erneuerung der SPD auch auf Bundes- und Landesebene leisten. Denn es geht um nicht weniger als Frieden und Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit.“